Heart Beat
verstehen …« Er atmete tief durch. »Jahrelang hatte ich große Angst, dich zu verlieren, Erin. Angst, dir könnte etwas zustoßen, wenn ich nicht gut genug auf dich aufpasse, wie ich nicht auf deine Mom aufgepasst habe. All die Zeichen …, ich habe sie viel zu spät erkannt und dann …«
»Oh, Dad.« Eine Träne rollte über Erins Wange. Fahrig strich sie sie fort, als wolle sie für ihren Dad stark sein.
Cole schloss für einen Moment die Augen und hoffte, das hier zu überstehen, ohne selbst wie ein kleiner Junge zusammenzubrechen.
»Deine Mom war wie du, Erin. Sie wollte die Welt entdecken, sich selbst immer wieder neu erfinden. Sie war wie ein Schmetterling – so unglaublich hübsch anzusehen, aber wenn man ihn zu lange festhielt, brach man ihm die Flügel. Als wir von dem Krebs erfuhren, war es für uns beide ein großer Schock. Den nächsten erlitt ich, als deine Mom die Operation verweigerte. Die Chancen, im Rollstuhl zu landen, lagen bei fünfzig Prozent. Sie wollte in Würde sterben, nicht ihr restliches Leben eine Belastung für ihre Tochter und ihren Mann sein. Ich flehte sie an, sich helfen zu lassen. Fünfzig Prozent, mein Gott, das war mehr, als sich andere erträumen durften! Aber sie blieb stur.« Harry schluckte, dann blickte er seiner Tochter fest in die Augen. »Heute kann ich sie verstehen, Erin. Ich … Ich wollte keine Belastung sein. Weder für Selena noch für dich. Meine Angst, dir könnte etwas Schlimmes zustoßen, hat früher schon so viel kaputt gemacht. Verhindert, dass du wie ein ganz normaler Teenager zur Frau werden konntest …«
»Himmel, Dad«, flüsterte Erin. »Ich mache dir doch keine Vorwürfe. Du warst mir immer ein großartiger Vater, und ich habe sehr gut verstanden, weshalb …«
Er schüttelte den Kopf. »Genau darum geht es doch, mein Schatz. Du hast viel zu viel Verständnis für deinen alten Herrn aufbringen müssen. Zuerst wegen der Trauer um deine Mom und danach, weil ich mich so oft wie ein völliger Idiot benommen ha…« Seine Stimme brach abrupt ab. Sein linkes Augenlid zuckte, dann begann er, am ganzen Körper zu zittern und zu krampfen.
»Mein Gott, Dad!« Erin sprang auf, kalkweiß vor Bestürzung. »Cole, ruf die Krankenschwester!«
Er war bereits an der Tür, als diese sich öffnete und eine ältere Frau in das Zimmer stürmte. »Alles in Ordnung, Miss Parker, ich übernehme. Bitte treten Sie einen Schritt zurück, und halten Sie Abstand.«
Erin schlug sich die Hand vor den Mund. Beobachtete schockiert die Krankenschwester, die die umstehenden Geräte bediente und mehr Flüssigkeit in den Tropf leitete, bis das Krampfen in Harrys Körper etwas nachließ.
Um ihr die Szene zu ersparen, schloss Cole seine Arme um ihre zitternde Gestalt. Sie ließ es geschehen und vergrub schluchzend ihr Gesicht an seinem Hals. »Ich schaffe das nicht, Cole. Ich schaffe das nicht.«
»Du schaffst das, Baby, tu es für deinen Dad.«
»Ich fühle mich so unglaublich hilflos.«
Er presste seine Lippen gegen ihre Schläfe und drückte sie noch fester an sich, hoffend, ihr ein wenig Kraft geben zu können.
»Ich weiß.«
Dad schlief seit drei Stunden. Erin hatte sich auf einen Stuhl neben sein Bett gesetzt und betrachtete ihn. Er sah friedlich aus. Wären die ganzen Schläuche nicht, hätte sie glauben können, er würde einfach nur ein kurzes Nickerchen halten, um danach mit ihr zu scherzen und herumzualbern, wie er es früher immer getan hatte. Doch das würde bald nur noch Erinnerung sein, keine Realität.
Bei dem Gedanken konnte sie kaum noch atmen. Sie wollte ihren Dad nicht verlieren. Wer war dann noch für sie da, wenn sie einen guten Ratschlag brauchte? Bei wem konnte sie sich ausheulen, wenn einer ihrer Träume zerplatzte?
Nach Moms Tod hatte Dad ihre Aufgaben übernommen, stand Erin bei, als sie das erste Mal Liebeskummer hatte und hörte sich den neuesten Tratsch ihrer Freundinnen an. Er war eine miserable Klatschtante, aber das war nicht der Punkt. Er hatte sich Mühe gegeben. In jeder Hinsicht. Alles getan, um seine Tochter glücklich zu machen, soweit es in seiner Macht stand und er die Verantwortung dafür übernehmen konnte.
Sie machte ihm keinen Vorwurf, manchmal zu streng gewesen zu sein. Weder früher noch heute. Sie hatte ihn zu sehr geliebt und gewusst, auf dieselbe Weise wiedergeliebt zu werden.
Und nun würde sie ihn verlieren …
Cole betrat das Zimmer und riss sie aus ihrer Lethargie; zwei Becher Kaffee in den Händen, von denen er
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