Heart Beat
ihr einen reichte. »Hier, trink das. Es wird dir gut tun.«
»Danke. Für alles, Cole.« Ohne ihn hätte sie die letzten Stunden nicht geschafft.
Er hockte sich neben ihren Stuhl. »Wie geht es ihm?«
»Unverändert. Die Krankenschwester meinte, sie wüsste nicht, ob er noch einmal aufwacht und wenn, wird er starke Schmerzen haben. Der Tumor drückt genau auf dieses Zentrum im Gehirn.« Sie hatte sich genau erklären lassen, welche Art Tumor ihr Vater hatte, doch alles, was von den Informationen übrig geblieben war, war das Wort irreparabel. Der Tumor hatte bereits einen zu großen Schaden in Dads Gehirn angerichtet. Das Entfernen des Gewächses würde nicht mehr zu einer Heilung beitragen, sondern nur das Unvermeidliche um wenige Tage hinauszögern. Tage, in denen er fürchterlich leiden würde, bis sein Körper nicht mehr mitspielte. Sie war nicht egoistisch genug, ihm eine solche Prozedur zuzumuten, auch wenn sie durch die Hölle ging, zu wissen, ihren Dad zu verlieren.
»Er hat es vor einem halben Jahr erfahren«, sagte Erin. »Der Tumor war damals schon zu groß und zu verwachsen, um ihn vollständig zu entfernen.«
»Er wollte dich schützen.«
»Ich weiß. Vielleicht wäre es mir trotzdem leichter gefallen, ihn gehen zu lassen, wenn ich mich über einen längeren Zeitraum damit hätte auseinandersetzen können.«
»Dein Dad hat die richtige Entscheidung getroffen, Erin.«
»Du würdest dasselbe tun?«, fragte sie und sah Cole an, der ihrem Blick standhielt, auch wenn es ihm schwerzufallen schien.
»Es muss fürchterlich sein, mit dem Wissen zu leben, bald sterben zu müssen«, sagte er. »Diese Last anderen aufzuladen, würde ich allerdings noch weniger ertragen.«
Erin betrachtete ihren Dad und atmete dabei langsam aus. »Vielleicht hast du recht, und es war wirklich die richtige Entscheidung. Für ihn. Ich fände es schrecklich, einen solchen Kampf allein auszufechten. Dafür ist Familie doch da. In guten wie in schlechten Zeiten. Ist es nicht so?«
Cole sah sie eine Weile nachdenklich an, bevor er nickte.
»Erin?«, krächzte ihr Dad, und sie verschüttete beinah ihren Kaffee, als sie aufsprang.
»Dad, geht es dir gut? Hast du Schmerzen?«
Er wischte ihre Sorgen beiseite. »Ich fühle mich gut, Mäuschen, keine Sorge. Komm her, lass mich dich umarmen.«
Erins Herz klopfte wild in ihrer Brust, als sie vorsichtig ihre Arme um seinen Hals legte. »Versprich mir, dass du nicht traurig sein wirst, wenn ich nicht mehr da bin«, bat er mit leiser Stimme.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann, Dad. Ich …« ...
vermisse dich jetzt schon ganz schrecklich
. Gott, sie konnte das nicht. Es tat so unglaublich weh. Sie hatte das Gefühl, jemand würde ihr das Herz aus der Brust reißen.
»Das Leben ist zu kurz, um sich mit dunklen Gedanken aufzuhalten, mein Schatz. Ein Wimpernschlag, und alles kann vorbei sein. Genieße jeden Tag, solange du kannst, und versprich mir, aus ganzem Herzen zu lieben, auch wenn es dir Angst macht, wieder einen Menschen zu verlieren.«
»Oh Gott, Dad …« Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und tropfte auf die weiße Bettdecke. Weitere Tränen folgten, bis heftige Schluchzer sie schüttelten und sie sich voller Verzweiflung an ihren Vater klammerte. Auch seine Umarmung wurde fester. »Versprich es, Erin. Ich muss …«
»Ich verspreche es, Dad. Gott, ich verspreche es dir!«
»Gut … Das ist gut«, sagte er und tätschelte ihren Rücken, bevor er sich ein wenig aufrichtete, um Cole anzublicken. »Du wirst doch auf mein kleines Mädchen aufpassen, nicht wahr? Kann ich mich auf dich verlassen, Cole?«
Cole fuhr sich durch das Haar und nickte. Seine Stimme klang, als hätte er sie seit Jahren nicht mehr benutzt. »Ehrensache, Harry. Du hast mein Wort.«
»Siehst du, Erin, alles wird gut werden. Ich liebe dich, vergiss das nicht.«
Als sie die Tränen in Coles Augen schimmern sah und die Worte ihres Vaters in ihr Bewusstsein drangen, brach auch noch der letzte Damm. In stummer Qual weinte sie in das Nachthemd ihres Dads, bis dieser Schmerz sie vollständig ausfüllte. Ihr Innerstes brannte, ihr Herz schlug so heftig, dass sie glaubte, es würde jeden Moment zerspringen.
Sekunden wurden zu Minuten, dehnten sich zu einer Ewigkeit, und irgendwann waren keine Tränen mehr übrig. Sie fühlte sich so erschöpft und ausgelaugt, als hätte sie tagelang nicht geschlafen.
»Dad?«, fragte sie leise, als sie das monotone Geräusch der Herzmaschine wahrnahm, die keine
Weitere Kostenlose Bücher