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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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angesteckt hatte. »In Anbetracht der Gesamtsituation können wir Tod durch Ertrinken nicht völlig ausschließen«, erklärte Doof mit amtlicher Miene. »Ansonsten sind wir die Spusi und nicht die Gerichtsmedizin.«
    »Mir fallen auf Anhieb genau drei Möglichkeiten ein«, erwiderte Vangelis kalt und zählte an den Fingern auf: »Erstens, er ist freiwillig reingesprungen. Zweitens, er ist aus Versehen reingefallen, und drittens, jemand hat ihn reingeworfen. Also, was nun?«
    »Nummer eins oder zwei.« Der Kollege hielt den Unterarm so, dass er im Licht der Straßenbeleuchtung seine Armbanduhr ablesen konnte. »Er hat keine offensichtlichen Verletzungen, die auf einen Kampf hindeuten.«
    Der andere blies in seine Hände und trat von einem Fuß auf den anderen. Die beiden wollten nach Hause. Ich auch.
    Vangelis kannte keine Gnade: »Wo ist er ins Wasser gefallen? Irgendeine Theorie? Vielleicht sogar schon eine Spur?«
    »Keine Theorie«, brummte Dick, der Wortführer, und wandte sich demonstrativ zum Gehen. »Und wir haben noch selten eine so gut eingeweichte Wasserleiche gesehen.«
    Ich gab Anweisung, die Umgebung des Fundorts abzusperren, damit die Spurensicherer sich bei Tageslicht noch einmal genauer umsehen konnten. Zwei erschrockene Schupos wurden zum Wacheschieben verdonnert. Ein dunkler Kombi kam, zwei bullige, Kaugummi kauende Kerle in schwarzen Anzügen wuchteten den schweren Körper mit Hauruck in einen Zinksarg, schraubten mit tausendfach geübten Bewegungen den Deckel darauf und verschwanden so rasch, wie sie gekommen waren. Das Ganze wirkte wie ein Sondereinsatz der Stadtreinigung.
    »Mir ist kalt«, sagte Vangelis endlich. »Ich denke, hier gibt es nichts mehr zu tun.«
    »Ich hau mich nochmal in die Falle.« Balke saß schon auf seinem Rad. »Bis später dann.«
    Inzwischen war es halb sechs. Im Osten graute der Morgen. Mir graute vor dem Tag.
     
    Punkt neun Uhr, noch vor der täglichen Morgenbesprechung mit den Dezernatsleitern, trafen wir in meinem Büro wieder zusammen. Balke hatte schon ein wenig telefoniert und sich beim Wasser- und Schifffahrtsamt über Strömungsgeschwindigkeiten des Neckars, Betriebszeiten der Schleusen und dergleichen schlau gemacht.
    »Wenn es stimmt, dass die Leiche mindestens vierundzwanzig Stunden im Wasser gelegen hat, dann müsste sie irgendwo zwischen der Schleuse und Ziegelhausen reingefallen sein.«
    »Er könnte eine Weile irgendwo festgehangen haben.« Auch heute trug Vangelis wieder eines ihrer sensationellen maßgeschneiderten Kostüme. Wie ich wusste, schneiderte sie ihre Sachen zum größten Teil selbst, nachdem sie zuvor in irgendeiner teuren Boutique den Schnitt eines Edelschneiders analysiert hatte. Es schien nicht vieles zu geben, was Vangelis nicht konnte. Vor kurzem hatte ich Balke im Vertrauen gefragt, ob seine Kollegin nicht wenigstens eine einzige kleine Macke habe.
    »Ihre Macke ist, dass sie keine hat«, hatte er ernst geantwortet. »Deshalb traut sich ja auch kein Kerl an sie ran. Die Frau ist einfach zu perfekt. Wer will sich so was antun?«
    »Wir sollten gleich ein paar Kollegen losschicken. Die Ufer im entsprechenden Bereich müssen gründlich abgesucht werden«, schlug Balke vor.
    »Ich habe eine Pressemeldung veranlasst, mit Foto«, berichtete ich. »Früher oder später wird ihn irgendwer vermissen. Und vielleicht hat ja auch jemand in letzter Zeit etwas Verdächtiges beobachtet.«
    Balke lehnte sich entspannt zurück. »Ich tippe auf Selbstmord oder Unfall. Mein Gefühl sagt mir, mit dem haben wir nicht viel Arbeit.«
    Ich sah Vangelis an. »Wann ist mit den Ergebnissen der Obduktion zu rechnen?«
    »Frühestens am späten Nachmittag«, erwiderte sie mit Blick in ihr ledergebundenes Notizbüchlein. »Und an Selbstmord oder Unfall glaube ich eher nicht.«
    »Warum?«, fragten Balke und ich gleichzeitig.
    »Ich habe vorhin mit dem Arzt telefoniert, der letzte Nacht dort war. Der Tote hatte kein Wasser in der Lunge. Er hat schon nicht mehr geatmet, als er in den Neckar fiel«, erklärte sie uns mit diesem leisem Lächeln, für das ich sie manchmal hasste. »Außerdem habe ich mir seine Sachen angesehen. Reich war er nicht. Aber auch nicht arm. Die Fingernägel lassen den Schluss zu, dass er eher mit dem Kopf gearbeitet hat als mit den Händen.«
    »Was war in seinen Taschen?«
    Sie zog eine Braue hoch und zählte auf: »Ein halbes Päckchen Kaugummi, Minzgeschmack, zuckerfrei. Ein Kassenbon von einer Tankstelle in Mosbach. Der hat leider sehr

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