Heidelberger Requiem
musterte mich aufmunternd.
»Warum habe ausgerechnet ich diese Stelle gekriegt? Ich war ziemlich überrascht, jetzt kann ich Ihnen das ja sagen. Ich bin zu jung dafür, ich habe wenig Erfahrung in Führungspositionen, ich …«
»Einerseits«, unterbrach er mich freundlich nickend, »haben Sie Recht, Sie sind ein bisschen jung. Aber das kann ja auch ein Vorteil sein. So kommt mal frischer Wind in den Laden. Sie sind ehrgeizig, das hat man gespürt in Ihren Unterlagen. Ihre Beurteilungen waren exzellent.«
»Und andererseits?«
»Nun.« Er ergriff eine dicke, fast schwarze Zigarre, die auf seinem Tisch lag, und schnupperte mit seligem Lächeln daran. »Sie waren mir sympathisch. Darauf sehe ich sehr. Dass es auch menschlich stimmt. Ihre Bewerbung hat nicht so vor Eigenlob und Selbstgefälligkeit getrieft wie manche andere. Und …«
»Und?«
»Das reicht doch eigentlich schon, finden Sie nicht?«, sagte er ohne aufzusehen. »Es gab keine Widerstände in der Kommission. Man hat sich rasch auf meinen Vorschlag geeinigt.«
»Ich habe gehört, Klara Vangelis hat die Stelle kommissarisch gehabt?«
»Da haben Sie richtig gehört. Sie ist eine unserer Besten.«
Er legte die Zigarre achtsam in eine der oberen Schubladen seines Schreibtischs und nahm dafür eine kürzere, hellbraune heraus. Mir wurde bewusst, dass ich ihn noch nie hatte rauchen sehen. Auch ein Aschenbecher war nicht in Sicht.
»Warum nicht sie?«
»Gott, ja«, erklärte er seiner Zigarre. »Letztlich ist so was am Ende auch immer eine Gefühlssache.«
Ich war sicher, dass er log.
»Wenn du Ecstasy herstellen willst, dann hast du mit zwei Problemen zu kämpfen«, erklärte mir Hauptkommissar Hanning von der Drogengruppe. Er war einer dieser im Dienst vorzeitig gealterten und ewig leidend wirkenden Figuren, deren letztes noch verbliebenes Lebensziel die Frühpensionierung ist. Einer dieser Typen, bei denen man unwillkürlich nach einem Waschbecken Ausschau hält, nachdem man ihnen die Hand gedrückt hat. Andererseits konnte er sich vermutlich tagelang in einem Drogentreff herumdrücken, ohne aufzufallen.
Mit dabei waren Klara Vangelis und Balke. Inzwischen hatte ich mit Unterstützung meiner Sekretärin eine kleine Sonderkommission von elf Personen gebildet. Der Rest meiner Mannschaft war im Urlaub oder mit anderen Fällen beschäftigt. Ein Teil der Soko saß jetzt in den Büros und nahm Anrufe entgegen, die anderen waren noch im Emmertsgrund draußen, um Zeugen aufzutreiben und mit Unterstützung der Schutzpolizei und einer Hundestaffel die Umgebung des Tatorts abzusuchen.
»Im Grunde ist das wie beim Schnapsbrennen«, fuhr Hanning fort. »Da ist einmal der Geruch. Die Lösungsmittel, die du da brauchst, die stinken nun mal. Drum kannst du das auch nicht in einer Etagenwohnung machen. In Holland nisten sich die Burschen mit ihren Giftküchen gerne in abgelegenen Gehöften ein.«
»Bei uns hat es so was noch nicht gegeben?«
»Mal in Niedersachsen oben, ja. Die meisten Labors sind aber in Holland. Und auf dem Balkan seit neuestem.«
»Und das zweite Problem?«
»Die Abfälle. Bei Ecstasy hast du hinterher ein paar Kanister mit flüssigem Chemikaliendreck, und den kannst du nicht so einfach wegkippen.«
Mein Handy klingelte.
»Paps, wir wollen an den Baggersee. Dürfen wir doch, ja?«
»Wann seid ihr zurück?«
»Ähm.«
Aha.
»Es gibt hinterher noch ’ne Party. Aber wir werden heimgebracht.«
»Von wem?«
»Johnny und Pit.«
»Nie gehört.«
»Die haben ein Auto.«
»Mädchen!«, schnaubte ich. »Wie alt seid ihr denn! Und die Jungs sind achtzehn?«
»Wir sind sehr reif für unser Alter. Hast du selber gesagt.«
Es stimmte ja. Um ihnen Mut zu machen in dieser schrecklichen Zeit nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter. Um sie zu loben für die Selbstständigkeit, die sie notgedrungen im Eilverfahren entwickeln mussten.
»Bis wann soll das denn gehen mit dieser Party?«
»Bis zwölf?«
»Kommt nicht in die Tüte.«
»Paps! Wir sind sechsundzwanzig!«
»Ihr seid zweimal dreizehn. Das ist ein Unterschied.«
»Aber wir werden bald vierzehn!«
»Das ändert gar nichts. Wenn ihr sechzehn seid, reden wir weiter.«
»Halb zwölf ist aber okay, ja?« Sie versuchte, mich zu becircen, und es gelang ihr gar nicht schlecht. Das Publikum begann unruhig zu werden.
»Und außerdem gibt’s am Baggersee abends Mücken ohne Ende.«
»Wir machen ein Feuer. Elf?«
»Vergesst es. Zehn, spätestens halb elf. Mein letztes Wort.«
Sie
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