Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck
Elke Heidenreich
Nero Corleone kehrt zurück
Es ist immer genug Liebe da
Mit Bildern von Quint Buchholz
Für alle, die sich fragen, was
aus Nero Corleone geworden ist
Isolde war lange nicht mehr in
Italien gewesen. Jetzt kam sie mit einem Möbelwagen, jetzt wollte sie vielleicht
für immer in dem Haus bleiben, das ihr und Robert jahrzehntelang als Ferienhaus
gedient hatte, oben auf dem Hügel, mit dem Blick über den See.
Auch in Italien kann es mal kalt
sein. Es war kalt an diesem Tag, kalt innen und außen. Isolde war traurig, und sie
fror. Sie war traurig, weil die Erinnerungen an glücklichere Zeiten in diesem Haus
an ihr fraßen, und sie fror, weil das Haus lange leer gestanden hatte und ausgekühlt
war. Die alte Heizung rumpelte, schepperte, gab sich Mühe, aber es dauerte mit
dem Warmwerden. Isolde beschloss, sofort den Kamin anzumachen, wenn die Männer von
der Spedition erst alles abgeladen hätten und wieder verschwunden wären, aber zuerst
kochte sie ihnen noch einen heißen Kaffee und sagte, wo alles hinzustellen war:
das Klavier an die Wand zwischen den Fenstern, die Kisten mitten ins Zimmer, der
kleine Schreibtisch neben den Kamin, die Stühle in die Küche, viel mehr war es
ja nicht. Danilo, ein Freund und der Elektriker aus dem Dorf, würde später ihren
neuen roten Glaslüster anschließen, und vielleicht konnte er auch das Kabelgestrüpp
von Computern, Lautsprechern, Stereoanlagen entwirren, sie hatte Zeit.
Sie wollte jetzt für immer hierbleiben,
ja.
Na ja. Vielleicht nicht ganz für
immer. Sie hatte sich eine kleine Wohnung mit ein paar Möbeln in Köln bewahrt, aber
das Haus war verkauft, das Haus, in dem sie mit Robert glücklich gewesen war, das
Haus, in dessen Garten die schielende Katze Rosa begraben lag, im Nachbargarten
ruhte Karl, Kagels Kater, mit dem Nero so befreundet gewesen war, und Kagel war
auch schon gestorben.
Isolde war älter geworden, aber
nicht alt. Sie hatte sich, wie man so sagt, ganz gut gehalten, sie war auch wieder
ein bißchen verliebt, aber sie wusste noch nicht, ob das mit Justus nun das Richtige
war. Erst mal Abstand halten, erst mal allein nach Italien ziehen, dann würde man
schon weitersehen.
Robert wohnte noch in Köln, er
hatte eine Freundin in Osnabrück und fuhr immer hin und her zwischen Köln und
Osnabrück. Manchmal trafen sie sich, gingen zusammen essen, telefonierten oft, weil
es Dinge zu regeln gab, sie verstanden sich gut, aber irgendwie war es doch vorbei.
Einmal hatte Robert am Telefon gesagt:
»Deine einzige ganz große Liebe
war doch immer nur Nero gewesen, nicht ich«, und sie mussten beide lachen.
Aber es stimmte auf eine gewisse
Weise. Nero war Isoldes große Liebe gewesen, aber er war schließlich kein Ehemann,
sondern nur ein Kater. Nur? Als ob das wenig wäre — grüne Augen, die im Dunkeln
leuchten, schwarzer Pelz, der knistert, wenn man darüber streicht, die eine weiße
Pfote, die so beharrlich vom Tisch zog, was immer sie wollte: Schinken, Würste,
Nudeln. Und erst das Schnurren — ein Geräusch wie etwas zwischen einem fernen,
leisen Gewittergrummeln, einem kleinen Güterzug, der weit weg in der Nacht über
eine Holzbrücke fährt, und einem Wasserkessel, der gerade zu summen anfängt, kurz
bevor das Wasser kocht. Es ist eines der schönsten Geräusche der Welt und nicht
zu vergleichen mit Roberts Schnarchen.
Und dann, eines Tages, als Nero
ausnahmsweise wieder mit nach Italien hatte fahren dürfen, war er dageblieben, einfach
nicht wieder aufgetaucht, nie wieder aufgetaucht, sie hatten ohne ihn abfahren müssen,
und Isolde hatte nie aufgehört, um ihn zu trauern. Rosa war damals schon lange tot.
Vielleicht hatte er heimgewollt, vielleicht bei der kleinen Grauen bleiben, in die
er sich verliebt hatte ...
Isolde gab den Spediteuren ein
Trinkgeld und hörte, wie sich der schwere Wagen den kleinen Weg bergab rumpelnd
entfernte. Sie setzte sich auf eine der Kisten, auf der nicht ACHTUNG! stand, denn wo ACHTUNG! draufstand, waren die Gläser verpackt,
in den anderen waren die Bücher, und sie trank einen kleinen starken Espresso aus
ihrer Maschine. Das tat gut.
Das Radio lief, und Riccardo Cocciante
sang »Sinceritá«, ho lavorato tutto il giorno, ich hab den ganzen Tag gearbeitet,
und als die Nacht kam, waren die Sterne am Himmel, und ich kehre zu dir zurück
und will dir alles von mir geben, i giorni e tutte le notti, die Tage und die Nächte,
sinceritá, das ist alles, was uns noch bleibt —
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