Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck
genug, vielleicht ging ihr zu viel
durch den Kopf, vielleicht fehlte aber auch nur eine schnurrende Katze am Fußende
des Bettes. Isolde lag wach und dachte an die vielen Wendungen, die ihr Leben genommen
hatte und die man immer erst hinterher bemerkte. Man merkte es nicht, wann genau
eine Liebe zu Ende ging, man sah es erst hinterher, von Weitem sozusagen. Man merkte
auch nur in der Bückschau, dass man glücklich gewesen war. Und das Glück huschte
vorbei, hinterließ nur einen warmen Schein, während das Unglück immer mit umzog
und wie ein kleines krankes Tier in der dunkelsten Ecke des Hauses lag und leise
weinte, manchmal.
Der Mond schien in ihr Schlafzimmer,
und Isolde hatte das Gefühl, genau in der Mitte zwischen glücklich und unglücklich,
zwischen fröhlich und traurig zu sein, schwebend, nicht leicht und nicht schwer,
wie gar nicht wirklich da. Es war im Grunde kein schlechtes Gefühl, und so schlief
sie schließlich doch ein und wurde durch ein Klopfen an der Tür geweckt, da war
es schon wieder zehn Uhr.
Die Nachbarin stand draußen, Mariagrazia,
die freundliche Nachbarin mit den fünf Kindern, und sie brachte ihr ein paar frische
Eier und ein Bund Petersilie, umarmte sie und hieß sie willkommen.
Isolde versicherte ihr, dass sie
auch heute zu ihr rüberkommen wollte, aber Mariagrazia winkte ab: »Tun Sie das nicht,
Signora, drei Kinder sind krank, Sie stecken sich nur an ...« Und da sei ein Lastwagen
gewesen gestern, ob sie denn nun länger bliebe? Vielleicht für immer?
»Ich weiß es noch nicht so genau«,
sagte Isolde, aber länger auf jeden Fall, und Mariagrazia sagte, schon im Gehen:
»II Nerone! Ich glaube, ich habe
Ihren Nero gesehen, vor drei Wochen. Ich hatte große Laken auf die Wiese gelegt
zum Bleichen, es ist einfach jemand quer drübergelaufen, bestimmt er, mafioso come
sempre, der!«
Sie lachten beide, und Isoldes
Herz schlug schneller. Er war also da, er lebte noch, er war sogar immer in der
Nähe geblieben, vielleicht ...? Aber sie verbot es sich zu hoffen. Hoffen ist ganz
schlimm, es macht krank, die Hoffnung, dachte sie, wird total überschätzt, sie
frisst unsere Energien weg, sie bringt uns um, nein, ich hoffe auf gar nichts, ich
lebe von Tag zu Tag, und was kommt, kommt, und was nicht kommt, kommt nicht.
Und wer kommt, kommt, und wer nicht
kommt, kommt nicht, das dachte sie auch noch.
Aus den Eiern von Mariagrazias
Hühnern machte sie sich ein schönes Omelett und dachte an Camilla, das alte Huhn,
das damals auf dem Hof nebenan gelebt und sich so sehr mit Nero angelegt hatte.
Sie beschloss, am Abend die Bilderbücher für die Kinder hinüberzutragen, die sie
aus Deutschland mitgebracht hatte. Sie erinnerte sich daran, wie Nero den Nachbarshühnern
die Eier unter dem Hintern weggeklaut hatte. Was für ein Kerl der gewesen war!
Wie alt musste er jetzt sein? Daran wollte sie gar nicht denken. Sehr alt jedenfalls
für einen Kater, und für einen Kater in Italien sowieso.
Isolde nahm sich vor, immer ein
Schälchen mit Futter in den Garten zu stellen. Es gab viele hungrige und herrenlose
Katzen hier, vielleicht würde eine bei ihr bleiben, und wenn nicht — es konnte nie
schaden, auch die wilden ein bisschen zu verwöhnen, die Bauern warfen ihnen allenfalls
ein paar Abfälle hin.
Sie machte sich das Haus nach und nach
gemütlich, hängte Bilder auf, wusch die Vorhänge, klappte das Klavier auf und spielte
zum ersten Mal hier, das Klavier war ein bisschen verstimmt. Sie würde sich jemanden
suchen müssen, der sich damit auskannte. Abends hörte sie Musik und las, schaute
ins Feuer, atmete tief durch und fühlte sich gut.
Tagsüber brachte sie den Garten
in Ordnung, stapelte Beisig und kleines Holz hinterm Haus auf für den Kamin, größeres
Brennholz kaufte sie im Supermarkt, aber man roch schon, dass es bald Frühling
werden würde, es war von Tag zu Tag ein bisschen wärmer. Hinter dem kleinen Schuppen
entdeckte sie eine warme, weiche Kuhle im Gras, unter dem Dach, voller schwarzer
Katzenhaare. Hier hatte ganz offensichtlich jemand öfter geschlafen. Jemand?
Sie kochte sich jeden Tag etwas,
und von dem, was übrig blieb und nicht zu scharf gewürzt war, stellte sie immer
ein Schälchen für die Katzen draußen hin, und immer wurde alles ratzeputz leer gefressen,
aber nie sah sie eine Katze. Doch.
Eines Sonntagmorgens, sie saß beim
Frühstück, da schaute sie aus dem Fenster und sah eine kleine, magere Katze an das
Tellerchen schleichen. Sie war grau, ein
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