Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Sterne gesehen, denn außer dem Hause war sie des Nachts nie gewesen, und drinnen wurden die dichten Vorhänge längst niedergelassen, bevor die Sterne kamen. Wenn sie nun jetzt die Augen zumachen wollte, mußte sie sie gleich noch einmal aufschlagen, um zu sehen, ob denn die beiden großen, hellen Sterne immer noch hereinfunkelten und so merkwürdig winkten, wie das Heidi gesagt hatte. Und immer noch war es so, und Klara konnte es nicht genug bekommen, in das Flimmern und Leuchten hineinzuschauen, bis endlich ihre Augen von selbst zufielen und sie nur im Traume noch die zwei großen, schimmernden Sterne sah.
Wie es auf der Alp weitergeht
Eben war die Sonne hinter den Felsen heraufgestiegen und warf nun ihre goldenen Strahlen über die Hütte und über das Tal hinab. Der Almöhi hatte, wie er jeden Morgen tat, still und andächtig zugeschaut, wie ringsum auf den Höhen und im Tal die leichten Nebel sich lichteten und das Land aus dem Dämmerschatten herausschaute und zum neuen Tage erwachte.
Heller und heller wurden oben die lichten Morgenwolken, bis jetzt die Sonne völlig heraustrat und Fels und Wald und Hügel mit goldenem Lichte übergoß.
Jetzt trat der Öhi in seine Hütte zurück und ging leise die kleine Leiter hinauf. Klara hatte eben die Augen aufgeschlagen und schaute in der höchsten Verwunderung auf die hellen Sonnenstrahlen, die durch das runde Loch hereindrangen und auf ihrem Bette tanzten und blitzten. Sie wußte gar nicht, was sie sah und wo sie war. Doch jetzt erblickte sie das schlafende Heidi an ihrer Seite, und nun ertönte auch die freundliche Stimme des Großvaters: »Gut geschlafen? Nicht müde?« Klara versicherte, sie sei nicht müde, und, einmal eingeschlafen, sei sie auch die ganze Nacht nicht mehr erwacht. Das gefiel dem Großvater, und nun fing er gleich an und besorgte die Klara so gut und so verständnisvoll, als wäre es geradezu sein Beruf, kranke Kinder zu besorgen und es ihnen bequem zu machen.
Das Heidi hatte seine Augen jetzt auch aufgemacht und sah auf einmal mit Erstaunen, wie der Großvater die schon fertig gerüstete Klara auf den Arm nahm und forttrug. Da mußte es doch dabeisein. Blitzschnell ging seine Ausrüstung vor sich. Dann ging’s die Leiter hinunter, und nun war auch das Heidi aus der Tür und stand draußen, mit großer Verwunderung betrachtend, was der Großvater jetzt wieder ausführte. Er hatte am Abend vorher, als die Kinder schon oben auf ihrem Lager angekommen waren, überlegt, wo der breite Rollstuhl unter Dach gebracht werden könnte. Die Tür der Hütte war ja viel zu schmal, hier konnte er nie eingefahren werden. Da war ihm ein Gedanke gekommen. Er machte hinten am Schopf zwei große Laden los, so daß da eine breite Öffnung entstand. Der Stuhl wurde hineingestoßen und die hohen Bretter wieder an ihre Stelle gebracht, wenn auch nicht festgemacht. Das Heidi kam eben an, nachdem der Großvater Klara drinnen in ihren Stuhl gesetzt, dann die Bretter weggenommen hatte und nun mit ihr aus dem Schopf in den Morgensonnenschein herausgefahren kam. Mitten auf dem Platze ließ er den Stuhl stehen und ging dem Geißenstall zu. Das Heidi sprang an Klaras Seite.
Der frische Morgenwind wehte um die Gesichter der Kinder, und ein würziger Tannenduft kam mit jedem neuen Windeswehen herüber und durchströmte die sonnige Morgenluft. Klara zog tiefe Züge ein und lehnte sich in ihren Stuhl zurück, in einem Gefühl des Wohlseins, wie sie es nie empfunden hatte.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie ja auch frische Morgenluft draußen in der freien Natur eingeatmet, und nun wehte die reine Alpenluft um sie so kühl und erfrischend, daß jeder Atemzug ein Genuß war. Dazu der helle, süße Sonnenschein, der gar nicht heiß war hier oben und so lieblich warm auf ihren Händen lag und an dem trockenen Grasboden zu ihren Füßen. Daß es so auf der Alp sein könnte, das hatte sich Klara gar nicht vorstellen können.
»O Heidi, wenn ich nur immer, immer hier oben bei dir bleiben könnte!« sagte sie jetzt, sich ganz wohlig hin und her wendend in ihrem Stuhl, um so recht von allen Seiten Luft und Sonne einzutrinken.
»Jetzt siehst du, daß es so ist, wie ich dir gesagt habe«, entgegnete das Heidi erfreut, »daß es am schönsten auf der ganzen Welt beim Großvater auf der Alm ist.« Eben trat dieser aus dem Stalle heraus zu den Kindern heran. Er brachte zwei Schüsselchen voll schäumender, schneeweißer Milch und reichte eins der Klara, das andere dem Heidi.
»Das wird
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