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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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vielen, vielen Jahren erzählten, die sie schon da oben gestanden und auf das Tal niedergeschaut hatten, wo die Menschen kamen und gingen und immer wieder alles anders wurde, und sie waren immer dieselben geblieben.
    Unterdessen hatte das Heidi den Rollstuhl vor den Geißenstall hingeschoben und hatte da die kleine Tür weit aufgerissen, damit Klara auch alles recht sehen könne. Da war nun freilich für diesmal nicht sehr viel zu sehen, da die Bewohner nicht daheim waren. Ganz bedauerlich rief Klara zurück:
    »O Großmama, wenn ich doch nur Schwänli und Bärli noch erwarten könnte und alle die anderen Geißen und den Peter! Die kann ich ja alle gar nicht sehen, wenn wir dann immer so früh fort müssen, wie du gesagt hast; das ist so schade!«
    »Liebes Kind, jetzt erfreuen wir uns an all dem Schönen, das da ist, und denken nicht daran, was noch fehlen könnte«, berichtigte die Großmama, dem Stuhle folgend, der nun wieder weitergeschoben wurde.
    »Oh, die Blumen!« schrie Klara wieder auf. »Ganze Büsche so feine, rote Blümchen und alle die nickenden Blauglöckchen! Oh, wenn ich doch heraus könnte und sie holen!«
    Das Heidi rannte augenblicklich hin und brachte einen großen Strauß zurück.
    »Aber das ist noch gar nichts, Klara«, sagte es, die Blumen auf ihren Schoß legend. »Wenn du einmal mit uns auf die Weide hinaufkommst, dann wirst du erst etwas sehen! Auf einem Platz zusammen so viele, viele Büsche von dem roten Tausendgüldenkraut und noch viel, viel mehr blaue Glockenblümchen als hier und so viele tausend von den hellen, gelben Weideröschen, daß es ist wie lauter Gold, das am Boden glänzt. Und dann sind erst noch die mit den großen Blättern, der Großvater sagt, sie heißen Sonnenaugen, und dann sind noch die braunen, weißt du, mit den runden Köpfchen, die riechen so gut, und da ist es so schön! Wenn man da sitzt, dann kann man gar nicht mehr aufstehen, so schön ist es!«
    Heidis Augen funkelten vor Verlangen wiederzusehen, was es beschrieb, und Klara war wie angezündet davon, und aus ihren sanften blauen Augen leuchtete ein völliger Widerschein von Heidis feurigem Verlangen auf.
    »O Großmama, kann ich wohl dahin kommen? Glaubst du, ich kann so hoch hinauf?« fragte sie sehnsüchtig. »Oh, wenn ich nur gehen könnte, Heidi, und so mit dir auf der Alp herumsteigen, überallhin!«
    »Ich will dich schon stoßen«, beruhigte sie das Heidi und nahm nun zum Zeichen, wie leicht das gehe, einen solchen Anlauf um die Ecke herum, daß der Stuhl fast den Berg hinuntergeflogen wäre. Da stand aber der Großvater in der Nähe und hielt ihn eben noch rechtzeitig auf in seinem Lauf.
    Während der Besuch unter den Tannen stattgefunden hatte, war der Großvater nicht müßig gewesen. Bei der Bank vor der Hütte stand jetzt der Tisch und die nötigen Stühle, und alles lag schon bereit, damit hier das schöne Mittagsmahl eingenommen werden konnte, das noch in der Hütte drinnen im Kessel dampfte und an der großen Gabel über den Gluten schmorte. Es währte aber gar nicht lange, so hatte der Großvater alles auf den Tisch gesetzt, und fröhlich saß nun die ganze Gesellschaft beim Mahle.
    Die Großmama war in hellem Entzücken über diesen Speisesaal, von dem aus man weit, weit hinab ins Tal und über alle Berge weg in den blauen Himmel hinein schauen konnte. Ein milder Wind fächelte den Tischgenossen liebliche Kühlung zu und säuselte drüben in den Tannen so anmutig, als wäre er eine eigens zum Feste bestellte Tafelmusik.
    »So etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Es ist eine wahre Herrlichkeit!« rief die Großmama wieder und wieder aus. »Aber was seh ich«, setzte sie jetzt in höchster Bewunderung hinzu, »ich glaube gar, du bist an einem zweiten Stück Käsebraten angekommen, Klärchen?«
    Wirklich lag das zweite golden glänzende Stück auf Klaras
Brotschnitte.
    »Oh, das schmeckt so gut, Großmama, besser als die ganze Tafel in
Ragaz«, versicherte Klara und biß mit großem Appetit in die gewürzige
Speise hinein.
    »Nur zu! Nur zu!« sagte der Almöhi wohlgefällig. »Das ist unser
Bergwind, der hilft nach, wo die Küche zurückbleibt.«
    So nahm das fröhliche Mahl seinen Verlauf. Die Großmama und der Almöhi verstanden sich ausnehmend wohl, und ihr Gespräch war immer lebhafter geworden. Sie stimmten in allerhand Meinungen über Menschen und Dinge und den Verlauf der Welt so gut überein, daß es war, als hätten die beiden schon jahrelang in einem freundschaftlichen Verkehr

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