Heidi und andere klassische Kindergeschichten
geworden. Und daß du etwas recht Verkehrtes getan hast, wirst du jetzt für dein Lebtag wissen, und was da herauskommen kann, wenn Kinder in die Welt hinauslaufen und Sachen unternehmen wollen, die sie gar nicht kennen, und niemandem ein Wort davon sagen, keinen Eltern und keiner Großmutter, die es gut mit ihnen meinen. Aber nun hat das der liebe Gott so geschehen lassen, und nun dürfen wir bestimmt hoffen, daß alles noch ein gutes Ende nehmen kann.
»Jetzt denk daran, Stineli, und vergiß nie mehr, was du da erfahren hast. Weil es dir aber recht von Herzen leid ist, so darfst du jetzt auch gehen und den lieben Gott bitten, daß er doch noch etwas Gutes mache aus dem verkehrten Zeug, das ihr da angestellt habt, du und der Rico. Dann darfst du auch wieder fröhlich sein, Stineli, und ich bin es mit dir, denn ich glaube zuversichtlich, daß der Rico noch am Leben ist, und daß ihn der liebe Gott nicht verläßt.«
Von dem Tage an wurde Stineli wieder munter, und wenn ihm auch der Rico auf jedem Schritt mangelte, so hatte es doch keine Angst und keine Vorwürfe mehr im Herzen, und Tag für Tag schaute es nach der Straße hinüber, ob nicht etwa der Rico dort vom Maloja herunterkomme. So ging die Zeit dahin, aber vom Rico hörte man nichts mehr.
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Elftes Kapitel.
Eine lange Reise.
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Rico hatte sich an jenem Sonntagabend in seiner dunkeln Kammer auf seinen Stuhl gesetzt. Da wollte er bleiben, bis die Base zu Bett gegangen war.
Nachdem Stineli die Entdeckung gemacht hatte, wie die Reise nach dem See auszuführen wäre, kam Rico die Sache so leicht vor, daß er sich nur noch besinnen wollte, wann er am besten gehen könne, denn er hatte ein Gefühl davon, die Base würde ihn vielleicht zurückhalten, wenn er schon wußte, daß er ihr nicht stark mangeln würde.
Als sie dann beim Heimkommen so auf ihn losschalt, dachte er: »So will ich gleich auf der Stelle gehen, sobald sie im Bette ist.«
Als er nun so im Dunkeln auf seinem Stuhl saß, dachte er nach, wie angenehm es sein werde, wenn er nun viele Tage lang die Base nie mehr werde schelten hören, und welche große Büschel von den roten Blumen er dem Stineli mitbringen wolle, wenn er zurückkomme. Und dann sah er die sonnigen Ufer und die violetten Berge vor sich und war entschlafen.
Er war aber nicht in einer sehr bequemen Lage, denn die Geige hatte er nicht aus der Hand gelegt; so erwachte er wieder nach einiger Zeit, es war aber noch ganz dunkel. Nun kam ihm aber gleich alles klar in den Sinn. Er war noch in seinem Sonntagswämschen, das war gut; seine Kappe hatte er noch von gestern her auf dem Kopf, die Geige nahm er unter den Arm, und so ging er leise die Treppe hinunter, schob den Riegel weg und zog in die kühle Morgenluft hinaus.
Über den Bergen fing es schon leise an zu tagen und in Sils krähten die Hähne. Er ging tüchtig drauf los, damit er von den Häusern weg und auf die große Straße komme. Nun war er da und wanderte vergnügt weiter, denn da war ihm alles so wohl bekannt, er war oft mit dem Vater da hinaufgegangen. Wie lang es aber ging, bis man auf den Maloja kam, wußte er nicht mehr so recht, und es kam ihm lange vor, als er schon mehr als zwei gute Stunden immerfort gewandert war.
Aber nun kam nach und nach der helle Tag, und als er nach noch einer guten Stunde auf dem Platze vor dem Wirtshaus oben am Maloja angekommen war, da, wo er oft mit dem Vater die Straße hinuntergeschaut hatte, da lag ein sonniger Morgen über den Bergen und die Tannenwipfel waren alle wie von Gold. Rico setzte sich an den Rand der Straße nieder, er war schon recht müde, und nun merkte er auch, daß er nichts mehr gegessen hatte seit dem vorhergehenden Mittag. Aber er war nicht verzagt, denn nun ging es bergab und nachher konnte unversehens der See kommen. Wie er so dasaß, kam der große Postwagen herangerasselt; den hatte er schon oft gesehen, wenn er bei Sils vorbeifuhr, und immer dabei gedacht, das höchste Glück auf Erden genieße ein Kutscher, der immerfort mit einer Peitsche auf einem Bock sitzen und fünf Rosse regieren könne. Nun sah er einmal den Glücklichen in der Nähe, denn der Postwagen hielt still, und Rico verwandte nun kein Auge von dem merkwürdigen Manne, der von seinem hohen Sitz herunterkam, ins Wirtshaus eintrat und mit mehreren ungeheuren Stücken Schwarzbrot, über welchen ein gewaltig großer Brocken Käse lag, wieder aus dem Hause trat.
Nun zog der Kutscher ein festes Messer hervor und zerstückte sein Brot, und einem
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