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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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es ist gut, daß es wieder an seinen Ort kommt. Damit ließ er die Sache liegen.
    Als nun nach der ersten steil abwärts gehenden Strecke der Bergstraße der Weg etwas ebener wurde, sagte der Kutscher: »So, Musikant, nun spiel einmal ein lustiges Liedlein auf.«
    Da nahm Rico die Geige vor und war so wohlgemut da oben auf seinem Thron, unter dem blauen Himmel hinfahrend, daß er mit der hellsten Stimme anfing und kräftig darauflos sang:
    »Ihr Schäflein hinunter von sonniger Höh’.«
    Nun saßen zuoberst auf dem Postwagen drei Studenten, die machten eine Ferienreise, und wie nun das Lied weiterging und Rico mit aller Lust und Fröhlichkeit Stinelis Verse sang, da gab es auf einmal oben auf dem Wagen ein lautes Hallo und Gelächter und die Studenten riefen: »Halt, Geiger, fang noch einmal an, wir singen auch mit.«
    Da fing Rico wieder an, und nun fielen die Studenten ein und sangen mit aller Macht:
    »Und die Schäflein, und die Schäflein« –
    und dazwischen lachten sie so ungeheuer, daß man nichts mehr hörte von Ricos Geige, und dann sangen sie wieder und einer sang zwischenein ganz allein:
    »Und tät’ er nichts denken,So tät’ ihm nichts weh!«
    Dann fielen die anderen wieder ein und sangen, so laut sie konnten:
    »Und die Schäflein, und die Schäflein« –
    und so ging es eine ganze Weile lang fort, und wenn Rico einmal etwas innehielt, so riefen sie: »Weiter, Geiger, nicht aufhören!« und warfen ihm kleine Geldstücke zu, immer wieder, daß er einen ganzen Haufen in der Kappe hatte.
    Drinnen im Wagen machten die Reisenden alle Fenster auf und steckten die Köpfe heraus, um den frohen Gesang zu hören. Dann fing Rico von neuem an, und die Studenten brachen von neuem los und teilten das Lied in Soli und Chöre. Da sang die Solostimme ganz feierlich:
    »Und ein See ist wie ein andrerVon Wasser gemacht« –
    und dann wieder:
    »Und tät’ er nichts denken,So tät’ ihm nichts weh« –
    und dazwischen fiel der Chor ein, und sie sangen mit aller Kraft:
    »Und die Schäflein, und die Schäflein« –
    und nachher wollten sie sich wieder totlachen und konnten eine ganze Weile nicht fortfahren vor Gelächter.
    Aber nun hielt auf einmal der Kutscher still, denn es mußte ein Halt gemacht und ein Mittagessen eingenommen werden. Als er den Rico hinunterschwang, hielt er ihm sorgfältig seine Kappe fest, denn da war all das Geld drin, und Rico hatte genug zu tun, seine Geige zu halten.
    Der Kutscher war ganz vergnügt, als er die Kappe in Ricos Hand abgab und sagte: »So ist’s recht, nun kannst du auch Mittag haben.«
    Die Studenten sprangen hinunter, einer nach dem anderen, und alle wollten nun den Geiger sehen, denn sie hatten ihn nicht recht sehen können von ihrem Sitze aus, und als sie nun das schmächtige Männlein sahen, da ging die Verwunderung und die Heiterkeit erst recht wieder an; sie hätten der guten Stimme nach einen größeren Menschen erwartet, nun war der Spaß doppelt groß. Sie nahmen das Büblein in ihre Mitte und zogen mit Gesang ins Wirtshaus ein. Da mußte denn an dem schöngedeckten Tisch der Rico zwischen zwei der Herren sitzen und sie sagten, er sei nun ihr Gast, und legten ihm alle drei miteinander jeder ein Stück auf den Teller, denn keiner wollte ihm weniger geben, und ein solches Mittagessen hatte Rico in seinem ganzen Leben noch nie eingenommen.
    »Und von wem hast du dein schönes Lied, Geigerlein?« fragte nun einer von den dreien.
    »Vom Stineli, es hat es selbst gemacht«, antwortete Rico ernsthaft.
    Die drei sahen sich an und brachen in ein neues, schallendes Lachen aus.
    »Das ist schön vom Stineli«, rief der eine, »nun wollen wir es gleich hoch leben lassen.«
    Rico mußte auch anstoßen und tat es ganz fröhlich auf Stinelis Gesundheit.
    Nun war die Zeit um, und als man wieder zum Wagen herantrat, kam ein dicker Mann auf Rico zu, der hatte einen so gewaltigen Stock in der Hand, daß man denken mußte, er habe einen jungen Baum ausgerissen. Er war in einen festen, gelb-braunen Stoff gekleidet von oben bis unten.
    »Komm her, Kleiner«, sagte er, »du hast so schön gesungen. Ich habe dich gehört hier drinnen im Wagen, und ich habe es auch mit den Schafen zu tun wie du; siehst du, ich bin ein Schafhändler, und weil du so schön von den Schafen singen kannst, mußt du von mir auch etwas haben.« Damit legte er ein schönes Stück Silbergeld in Ricos Hand, denn die Kappe war indessen geleert und alles in die Tasche gesteckt worden.
    Dann stieg der Mann in den

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