Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
Vom Netzwerk:
Arbeit und glänzte, als wäre sie selbst zur »Goldenen Sonne« geworden, und wenn sie auf ihren Mann traf, so sagte sie jedesmal siegreich: »Hab’ ich’s nicht gesagt?«
    Rico hörte erst einen Tanz an von den drei Geigern, die gekommen waren, und die Melodien fielen ihm so ins Ohr und in die Finger, daß er gleich nachher mitspielen konnte, und nun wußte er den Tanz für immer. So kam es, daß er am späten Abend, als man aufhörte zu tanzen, alle Tänze mitspielen konnte, die überhaupt gespielt wurden, denn jeden hatte man zu öfteren Malen durchgenommen.
    Am Ende mußte auch noch das Peschiera-Lied gesungen werden, von Rico begleitet, und war schon den ganzen Abend ein Lärm gewesen, so kamen nun die Gemüter erst noch recht ins Feuer und es ging zu, daß Rico ein paarmal dachte: jetzt fahren sie aufeinander und schlagen sich alle tot. Aber es war alles in Freundschaft gemeint. Und ihm selbst wurde eine so ohrenzerreißende Anerkennung gespendet, daß er nur immer dachte: wenn’s doch bald fertig wäre, denn nichts war dem Rico so tief zuwider, wie ein großer Lärm.
    Am Abend sagte die Wirtin zu ihrem Manne: »Hast’s gesehen? Schon das nächste Mal brauchen wir nur noch zwei Geiger.«
    Und der Mann war sehr zufrieden und sagte: »Man muß dem Buben etwas geben.«
    Zwei Tage nachher war Tanz droben in Desenzano, und Rico wurde auch mit den Geigern hingeschickt; jetzt konnte man ihn schon ausleihen. Es war da derselbe Lärm und Spektakel, und wenn auch das Peschiera-Lied nicht mußte gesungen werden, so ging es nun über anderen Dingen ganz gleich laut zu, und Rico dachte von Anfang bis zu Ende: »Wenn’s nur fertig wäre!«
    Er brachte eine ganze Tasche voll Geld heim; das ließ er alles ungezählt auf den Tisch hinausrollen, als er zurückkam, denn es gehörte der Wirtin, und sie lobte ihn und stellte ein schönes Stück Apfelkuchen vor ihn hin. Am Sonntag nachher war schon wieder Tanz drüben in Riva, und diesmal freute sich Rico, denn Riva war jener Ort drüben über dem See, wo dieser von Peschiera aus anzusehen war wie eine sonnige Bucht, um die herum die freundlichen weißen Häuser lagen und herüberschimmerten.
    Da fuhren die Musikanten zusammen am Nachmittag über den goldenen See im offenen Kahn unter dem blauen Himmel hin, und Rico dachte: »Wenn ich so mit dem Stineli hinüberfahren könnte! Wie müßte es staunen über den See, an den es nicht glauben wollte!«
    Aber drüben ging derselbe Lärm los und Rico wünschte wieder fortzukommen, denn von drüben herüber Riva anzusehen im stillen Abendschein, war so viel schöner, als hier mittendrin im Tumult zu sitzen.
    Wenn aber keine Tanztage waren, da konnte Rico jeden Abend zu dem kleinen Silvio gehen und lange da bleiben, denn die Wirtin wollte sich der Frau Menotti dienstbar erzeigen. Da ging Rico gern hin, das war seine Freude. Kam er am See vorbei, so ging er gegen die schmale Steinbrücke hin und setzte sich eine Weile auf den Boden; denn dies war der einzige Ort, wo er das Gefühl hatte, er sei vielleicht daheim. Da kam ihm am allerlebendigsten alles vor die Augen, wie es war, da er noch daheim war. Denn was er vor sich sah, hatte er damals so gesehen, und hier sah er auch am deutlichsten die Mutter vor sich. Dort hatte sie am See gestanden und etwas ausgewaschen, und von Zeit zu Zeit sah sie ihn an und sagte ihm liebevolle Worte, und er saß auf demselben Plätzchen, wo er jetzt saß. Das alles wußte er so genau. Da ging er immer mit Zwang weg, aber er wußte, daß Silvio nach ihm lauschte. Wenn er dann durch den Garten kam, so wurde es ihm auch wieder wohl und er trat gern in das stille, saubere Haus. Frau Menotti war in einer Weise freundlich mit ihm, wie sonst niemand, das fühlte er wohl; sie hatte ein großes Mitleid mit dem verlassenen Waislein, wie sie ihn nannte, sie hatte die Geschichte auch gehört von seinem Entfliehen. Sie fragte den Rico nie etwas von seinem Leben in den Bergen, denn sie dachte, es wecke ihm nur traurige Erinnerungen. Sie fühlte auch, daß der Rico nicht die Pflege hatte, die ein Büblein von seinem Alter und von so stiller Art bedurft hätte; aber sie konnte nichts machen, als ihn bei sich haben, soviel es anging. Sie legte ihm aber manchmal die Hand auf den Kopf und sagte mitleidig: »Du armes Waislein!«
    Dem kleinen Silvio wurde der Rico täglich unentbehrlicher; schon am Morgen fing er an zu jammern und nach dem Rico zu begehren, und wenn seine Schmerzen da waren, so schrie er noch mehr und wollte

Weitere Kostenlose Bücher