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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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Onkel Max. – »Ach, den habe ich ja ganz vergessen, das hatte das kranke Wisi auch noch durchzumachen. Es wird nun bald ein Jahr sein, da wurde ihm in der Fabrik der eine Arm und das Bein so zerschlagen, daß man ihn halbtot nach Hause brachte; er wurde dann ganz elend, arbeiten konnte er gar nichts mehr; er muß kein besonders geduldiger Kranker gewesen sein. Wisi hatte ihn nun noch zu verpflegen zu allem anderen, er starb dann ungefähr ein halbes Jahr nach dem Unfall. Seither lebt Wisi allein mit dem Kinde.« – »Und so blieb denn von allem gar nichts mehr übrig, als ein kleines Wiseli? Was macht man damit? Aber nein, so traurig wird’s doch nicht kommen müssen; das Wisi kann noch gesund werden und alles noch kommen, wie es hätte sein sollen von Anfang an.« – »Nein, nein, dazu ist es zu spät«, entgegnete die Schwester sehr bestimmt; »das arme Wisi hat seinen Leichtsinn schwer büßen müssen. Aber auch hier ist es spät geworden«, – und fast erschrocken stand sie auf, denn über dem Gespräch war die Mitternachtsstunde vorübergegangen, und seit einiger Zeit schon war der Oberst ganz stille geworden, er hatte sich in seinen Lehnstuhl zurückgelegt und war fest eingeschlafen. Onkel Max hatte zwar keinen Schlaf, denn mit der Erzählung von dem armen Wisi waren ihm alle Jugenderinnerungen so lebendig aufgestiegen, daß er noch eine Menge von Dingen und Persönlichkeiten besprechen wollte; aber seine Schwester war unerbittlich, sie hielt die Lichter in der Hand und drängte zum Aufbruch. So half denn nichts; um aber nicht allein die unwillkommene Störung zu tragen, weckte er seinen Schwager mit einem so gewaltigen Ruck an seinem Stuhl, daß der Oberst mit einem Schrecken emporschoß, als sei eine feindliche Bombe auf ihn gefahren. Aber sein Schwager klopfte ihm friedlich auf die Schulter und sagte: »Es war nur eine leise Mahnung von seiten deiner Frau, daß wir uns zurückziehen möchten.« Der Rückzug wurde dann vollzogen, und bald stand das Haus auf der Höhe ganz still im Mondschein da, und unten am Berg stand eins, da sollte es auch bald stille werden; jetzt brannte noch ein schwaches Lämpchen drinnen und warf seinen matten Schimmer durch das schmale Schubfenster in die monderhellte Nacht hinaus.
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Drittes Kapitel.
Auch noch daheim.
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    Um die gleiche Zeit, da die Kinder des Obersten ihrem Hause zugingen, rannte das kleine Wiseli aus allen Kräften den Berg hinunter, denn es wußte, daß es länger fortgeblieben war, als die Mutter erwartete, und das tat es sonst nicht. Aber heute war sein Glück so groß gewesen, daß es einen Augenblick das Heimgehen vergessen hatte; jetzt lief es um so mehr drauf zu und wäre fast in einen Mann hineingerannt, der eben aus der Tür des Häuschens trat, als es hineinstürmen wollte; er ging ihm aber ganz leise aus dem Wege, und das Wiseli sprang vorwärts in die Stube hinein und auf die Mutter zu, die auf einem kleinen Stuhl am Fenster saß und zu Wiselis Erstaunen noch kein Licht angezündet hatte. »Mutter, bist du böse, daß ich so lang nicht komme?« rief es, indem es sie mit beiden Armen um den Hals faßte. »Nein, nein, Wiseli«, antwortete sie freundlich; »aber ich bin froh, daß du da bist.« Jetzt fing das Wiseli der Mutter von seinem großen Erlebnis zu erzählen an, wie gut der Otto mit ihm gewesen, und wie es zweimal mit dem allerschönsten Schlitten hatte den Berg hinunterfahren können. Wie es dann mit seiner Erzählung fertig war und die Mutter noch so still dasaß, fiel ihm erst ein, daß sie das sonst nicht tat, und es fragte verwundert: »Aber warum hast du noch kein Licht, Mutter?«
    »Ich bin so müde heut’ abend, Wiseli«, antwortete sie; »ich konnte nicht aufstehen und Licht machen. Hol das Lämpchen herein und bring mir einen Schluck Wasser mit, ich habe so großen Durst.« Wiseli lief in die Küche und kam bald zurück, in der einen Hand das Licht und in der anderen eine Flasche, darinnen ein roter Saft schimmerte, so hell und einladend, daß die durstende Kranke erfreut ausrief: »Was bringst du mir Schönes, Wiseli?« – »Ich weiß nicht«, sagte das Kind, »es stand auf dem Küchentisch, sieh, wie es funkelt.« Die Mutter nahm die Flasche in die Hand und roch daran. »O«, sagte sie, begierig wieder riechend, »es ist wie frische Himbeeren aus dem Wald, gib mir schnell ein wenig Wasser dazu, Wiseli.« Das Kind goß von dem roten Saft in ein Glas und füllte es mit Wasser, und mit durstigen Zügen trank die Mutter den

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