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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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da hineingeflüchtet, daß du sie in Ruhe verzehren kannst?”
    “Nein, ich habe keine Käsfische gehabt”, sagte This ängstlich.
    “Nicht? Und warum denn nicht?” fragte der Senn in einer Weise, wie
sonst nie ein Mensch mit dem This redete. Nun erwachte in seinem
Herzen etwas, das er bisher nicht gekannt hatte—das Zutrauen zu einem
Menschen.
    “Sie haben mich auf die Seite gestoßen”, erwiderte er nun und stand hinter den buschigen Zweigen auf.
    “So, jetzt kann man dich doch sehen”, fuhr der Senn freundlich fort, “komm noch ein wenig näher. Und warum wehrst du dich denn nicht, wenn sie dich wegstoßen? Es stößt ja immer einer den anderen, aber zuletzt kommt doch jeder an die Reihe, warum nur du nicht?”
    “Sie sind stärker”, sagte der This so überzeugend, daß diese Erklärung wohl auch dem Franz Anton einleuchtete. Erst jetzt konnte dieser den Buben recht sehen. This stand vor dem breiten, großen Franz Anton wie ein dünnes Stöcklein vor einer hohen Tanne. Der kräftige Mann betrachtete einen Augenblick das schmale Figürchen, an dem tatsächlich fast nur Haut und Knochen zu sehen waren. Aus dem mageren Gesicht schauten die zwei Augen dann und wann noch ziemlich scheu zu ihm auf.
    “Wem gehörst du?” fragte er jetzt den Buben.
    “Niemand”, gab This zur Antwort.
    “Pah, du wirst doch irgendwo daheim sein? Wo wohnst du denn?”
    “Beim Hälmli-Sepp.”
    Jetzt ging dem Franz Anton ein Licht auf. “Ach so, bist du der!” sagte er verständnisvoll, denn von dem dummen This, den man zu gar nichts brauchen konnte, hatte er schon viel gehört, ihn aber nicht gekannt.
    “Komm einmal mit mir”, sagte er mitleidig. “Wenn du beim Hälmli-Sepp bist, so wirst du nicht umsonst selber aussehen wie ein Hälmlein. Komm, Käsfische sind nicht mehr da, aber etwas anderes.”
    Der This wußte gar nicht, wie ihm geschah. Er ging hinter dem Franz Anton gehorsam her, aber es war, als ginge er mit einem Freund, und das war ihm noch nie geschehen. Der Senn trat in die Hütte, holte hoch von einem Brett ein rundes Brot herunter und schnitt ein großes Stück ab. Dann ging er zu dem riesigen Butterfaß, das goldig glänzend in der Ecke stand, und holte ein großes Stück Butter heraus. Das strich er über die Brotschnitte und reichte nun das feste Stück mit der dicken Butter darauf dem This hin. In seinem ganzen Leben hatte der This so etwas noch nie bekommen. Er schaute darauf, als sei es nicht möglich, daß es ihm gehöre.
    “Komm heraus. Iß es vor der Hütte, ich muß nun zum Wasser”, sagte Franz Anton, der mit lustigen Augen dem Ausdruck von Glück und Erstaunen auf dem Gesicht des Jungen gefolgt war. Dieser gehorchte. Vor der Hütte setzte er sich auf den Boden. Und während der Senn zum Schwemmebach hinüberging, biß er in sein Butterbrot hinein und biß immer wieder und konnte nicht begreifen, daß es etwas so Gutes gäbe und er es bekommen hätte.
    Inzwischen wehte frisch und wohlig der Abendwind um seinen Kopf und wiegte unten die Tannenbäumchen hin und her, und der kleine Vogel saß immer noch auf dem höchsten Zweig und sang hell und fröhlich in den goldenen Abendhimmel hinauf. Dem This ging das ganze Herz in nie gekanntem Wohlsein auf, und er meinte, er müsse laut mit dem Vogel zu singen anfangen.
    Der Senn war in der Zeit ein paarmal mit seinem Kesselchen hin und her gegangen. Drüben beim Schwemmebach war er immer eine Weile stehengeblieben und hatte rundum geschaut. Die Berge waren nicht mehr rot vom Abendschein, aber jetzt stieg groß und golden der volle Mond hinter dem weißen Zacken empor. Nun kam der Senn wieder zur Hütte zurück und stellte sich vor den This, der noch auf derselben Stelle saß.
    “So gefällt’s dir hier?” fragte er freundlich. “Mit dem Abendessen bist du fertig, wie ich sehe. Du mußt dich auf den Rückweg machen. Sieh, wie schön dir der Mond heimleuchtet!”
    Der This hatte gar nicht mehr ans Fortgehen gedacht. Aber jetzt fiel ihm ein, daß es wohl nötig sei. Er stand auf, dankte noch einmal dem Franz Anton und ging. Aber er kam nicht weiter als bis zu den Tannenbäumchen, es hielt ihn mit Gewalt zurück. Er schaute noch einmal zurück, und da der Senn in die Hütte getreten war und ihn nicht mehr sehen konnte, huschte er schnell unter die dunklen Zweige. Franz Anton war der einzige Mensch, der ihn in seinem ganzen Leben mit Güte und Liebe behandelt hatte. Das hatte auf den This einen solchen Eindruck gemacht, daß er nicht fort konnte. Er

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