Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
Vom Netzwerk:
einen Baum oder eine Blume, und hatte den Fani noch besonders aufmerksam gemacht, wie gut er die Bäume zu machen verstehe, er sollte sich einen schönen aussuchen. Das war nun der Emmi gerade recht, so etwas ausfindig zu machen, denn an Fanis Zeichnungen hatte sie schon immer eine besondere Freude gehabt. Er hatte ihr auch schon allerhand gezeichnet: Rosen und Erdbeeren und einen Fischer, mit einer Angelrute unter einem Baum am Wasser sitzend; diese Bildchen konnte man als Buchzeichen so schön gebrauchen. Jetzt erzählte ihm Emmi, daß sie auf der Stelle nachgedacht habe, welchen Baum er zeichnen könne; da sei ihr auf einmal die große Eiche in den Sinn gekommen, die sehe jetzt so schön aus; noch vor wenig Tagen habe sie’s gesehen, denn sie sei mit der Mutter auf dem Eichenrain gewesen, um der fremden Dame willen. Unter diesen Mitteilungen waren die Kinder nun auf dem Hügel angekommen, welcher, um des schönen alten Baumes willen, der Eichenrain hieß. Der reichbelaubte Baum stand am Abhang des Hügels und warf seinen Schatten weithin über das kurze Gras des Weidebodens. Fani schaute verwundert in das reiche Gezweig hinauf.
    »O, wie schön«, sagte er; »ich bin froh, daß du den gewußt hast, Emmi, der ist prächtig zum Zeichnen! Ich will gleich anfangen, aber ein wenig weiter weg, da oben, hier.« Fani hatte sich den Hügel hinan Schritt für Schritt etwas weiter von dem Baum entfernt, bis er ihm zum Zeichnen paßte. Hier setzte er sich auf den Boden, Emmi gleich darauf neben ihn, indem sie anfing, aus ihrer großen Schultasche einen ziemlichen Reichtum an Papier und Bleistiften herauszukramen.
    »O, da kann man viel zeichnen mit so viel Papier und Bleistiften«, sagte Fani und schaute mit sehnsüchtiger Bewunderung auf all das schöne Material.
    »Ich gebe dir dann noch mit heim davon«, versprach Emmi; »ich habe schon daran gedacht, daß du dann wieder ändern mußt und vielleicht noch einmal anfangen, aber komm, da suche selbst einen Bleistift aus!«
    Mit Wonne tat Fani, wie er geheißen war. So reichliches Material zu haben, daß man so darauflos zeichnen konnte, wie man wollte, schien dem Fani das Höchste zu sein. Nachdem er noch ein paarmal seinen neuen Bleistift und sein weißes Papier mit Wohlgefallen angeschaut hatte, setzte er sich zurecht und begann seine Arbeit. Emmi war nun ganz still und schaute aufmerksam der Entstehung des Baumes zu.
    »O, o! Jetzt ist die Eiche schon ganz kenntlich! Nein, was du aber für schöne Zweige und niedliche Blättchen machen kannst!« rief Emmi jetzt ganz entzückt aus; »nein, so schön hast du gewiß noch nie einen Baum gemacht! Du wirst sehen, was der Lehrer sagen wird; gewiß hast du die allerschönste Zeichnung von allen. Wie machst du’s denn nur, Fani? So etwas könnte ich gar nie machen.«
    »Ich mache es nur nach«, sagte Fani, dessen Augen beständig hin und her gingen, jetzt zu dem Baum hinauf und jetzt wieder auf das Papier zurück, und ganz flammten vor Eifer. »Sieh nur auch die schönen Zweige, die er hat, und die prächtigen Blätter; kein Blatt ist so schön wie das Eichenblatt. O, und sieh nur oben, wie das so prachtvoll rundum geht, gerade als hätte man expreß die Zweiglein so gemacht, daß es die schöne Form gibt. O, wenn ich nur den ganzen Tag da sitzen könnte und immerfort an dem Baum zeichnen, es gibt gar nichts Schöneres auf der Welt.«
    »Jetzt weiß ich etwas«, rief Emmi aus, so als habe sie auf einmal einen großen Fund getan; »du mußt gewiß ein Maler werden, Fani. So fängt es an, wenn einer ein Maler werden muß, das weiß ich bestimmt; sonst könntest du gar nicht sagen, das Schönste auf der Welt wäre, einen ganzen Tag lang vor einem Baum zu sitzen und zu zeichnen, das wäre doch jedem anderen furchtbar langweilig.«
    »Ja, du hast gut sagen, ich soll ein Maler werden«, entgegnete Fani mit einem Seufzer; »im nächsten Frühling komm’ ich aus der Schule, und dann muß ich in die Fabrik und muß den ganzen Tag spulen vom Morgen bis am Abend; da kannst du dann ein Maler werden, ich wüßte nur gern, wie?
    «»Aber wolltest du denn nicht gern alles tun, um ein Maler zu werden, Fani? Denk nur, wie herrlich! Wenn du doch selbst sagst, es wäre das Schönste auf der Welt, da wolltest du doch gern alles wagen, wenn du nur dazu kommen könntest, oder nicht?«
    »Freilich wollt’ ich, gewiß, aber da ist ja gar nichts zu wagen; was könnte ich denn tun?«
    »Wart du jetzt nur, Fani, ich will nun schon anfangen zu denken, was

Weitere Kostenlose Bücher