Heidi und andere klassische Kindergeschichten
redete, anders als: der Schneiderli-Fekli. Davon hatte Herr Bickel eine Ahnung, und die Sache war ihm sehr empfindlich. Als er nun schon ein großer Herr war und mit der Frau Bickel in dem neuen, schönen Hause wohnte und ihm dann ein Söhnlein geschenkt wurde, da konnte er sich sehr lange nicht entschließen, es taufen zu lassen, denn er suchte und suchte und fand immer den Namen nicht, der zu gleicher Zeit die Stellung und alle Aussichten dieses Sohnes andeuten und auch das Übertragen des verhaßten Namens unmöglich machen würde. Nun hatte Herr Bickel um diese Zeit als Schulvorsteher dem Examen in Buchberg beizuwohnen. Da traf es sich, daß der Lehrer den Kindern eben die Bedeutung des Namens Fortunatus auseinandersetzte. Freudestrahlend kam Herr Bickel nach Hause. »Der Name ist gefunden, jetzt wird getauft«, rief er seiner Frau entgegen; und so geschah es. Das Söhnchen wurde von Vater und Mutter Fortunatus genannt und jedesmal mit besonderem Genuß, denn der Name entsprach vollkommen seiner Stellung im Leben, und Herr Bickel war überzeugt, er habe damit den alten, ihm anstößigen Namen ausgerottet. Sobald aber sein Söhnchen in die Schule eintrat, fand es sich, daß der Name Fortunatus den Kindern zu lang war; sofort wurde er in »Tus« abgekürzt, und gleich darauf zur näheren Bezeichnung wurde der »Schneiderli-Fekli-Tus« daraus, welcher lange Name dann mit der Zeit in »Fekli-Tus« überging, wobei man blieb, und schließlich glaubte jedermann in Buchberg, der Name heiße wirklich Feklitus, und fand es natürlich, um der Abstammung willen.
Feklitus saß mit Oskar auf der Schulbank der sechsten Klasse, das heißt, sie saßen auf zwei Schulbänken in derselben Klasse; denn als sie vor sechs Jahren miteinander in die Schule eintraten, setzte sich Oskar gleich oben an, denn er war ein herrschsüchtiges Bürschchen, das allenthalben gern regieren wollte. Aber Feklitus blieb neben ihm stehen und sagte: »Das ist mein Platz«; denn er war mit dem Bewußtsein seiner Stellung in die Schule gekommen und sein Vater hatte ihm auch gesagt: »Du gehörst dann obenan.«
Aber der Lehrer war ein unparteiischer Mann; er untersuchte die Sache genau, und da es sich fand, daß Oskar zwei Tage älter war als Feklitus, so bekam jener den ersten Platz. Um keinen Preis aber hätte der Feklitus den zweiten eingenommen, sondern er setzte sich auf den ersten der zweiten Bank, und da die Klasse so groß war, daß sie beide Bänke in Anspruch nahm, ließ ihn der Lehrer gewähren. So war es denn durch alle Klassen bis zur sechsten hinauf geblieben, denn die Zahl der Schüler hatte sich nicht verändert. Dem Oskar war diese Einrichtung eben recht, denn dadurch kam der lustige Fani, des Tagelöhners Heiri Sohn, neben ihn zu sitzen, der jederzeit zu allen Unternehmungen aufgelegt war, die Oskar nur erfinden konnte, zu den gewagtesten am allerliebsten. Daneben hatte die äußere Erscheinung dieses Buben etwas Ansprechenderes für den Oskar, als die des breitschulterigen Feklitus, der stets in einem schönen Tuchwams mit hohem Kragen steckte, in einer Weise, daß von seinem Hals, der ohnehin kurz war, gar nichts mehr gesehen wurde und der ganze Feklitus aussah, als habe man ihn in ein Futteral gesteckt, in dem er sich nicht mehr recht bewegen konnte. Fani war schmal und gewandt, wie eine Eidechse, und trug er auch den ganzen Sommer nichts auf sich, als sein Hemd und seine leinenen Höschen, so stellte er sich so leicht und gefällig hin, daß jeder mit ihm vergaß, wie spärlich er gekleidet war. Strich er seine langen, dunkeln Haare, die so fort wuchsen, weil niemand sie ihm abschnitt, mit seinen beiden Händen über die Stirn zurück und schaute dann mit den großen, glänzenden Augen so erwartungsvoll um sich, wie er zu tun pflegte, dann fiel dem Oskar gleich ein neuer Plan zur Gründung irgendeiner Gesellschaft ein, denn der Fani wäre zu so manchem zu gebrauchen, wie er bemerkte, z. B. als Künstler, oder als edler Räuberhauptmann, oder als Schauspieler. Das war für den Oskar besonders ansprechend, denn er war immer entweder mit dem Gedanken beschäftigt, etwas Großartiges zu gründen, Vereine, Verbindungen, Gesellschaften, und dazu brauchte er gerade Leute, wie Fani war; oder er hatte eben etwas gegründet und hatte alle Hände voll zu tun mit der Durchführung der Sache, – da war Fani wieder der rechte Mann zur Hilfe, überall brauchbar, weil immer willig und mit einem offenen Verständnis begabt, wie kein zweiter in der
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