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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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du nicht, Großvater, daß Fräulein Rottenmeier auch mitkommt?«
    »Das kann ich nun nicht sagen«, meinte der Großvater, »aber es ist sicherer, einen Stuhl bereit zu haben, daß wir sie zum Sitzen einladen können, wenn sie kommt.«
    Das Heidi schaute nachdenklich auf die hölzernen Stühlchen ohne
Lehne hin und machte still seine Betrachtungen darüber, wie Fräulein
Rottenmeier und ein solches Stühlchen zusammenpassen würden. Nach
einer Weile sagte es, bedenklich den Kopf schüttelnd:
    »Großvater, ich glaube nicht, daß sie darauf sitzt.«
    »Dann laden wir sie auf das Kanapee mit dem schönen grünen
Rasenüberzug ein«, entgegnete ruhig der Großvater.
    Als das Heidi noch nachsann, wo das schöne Kanapee mit dem grünen Rasenüberzug sei, erscholl plötzlich von oben her ein Pfeifen und Rufen und Rutenschwingen durch die Luft, daß das Heidi sofort wußte, woran es war. Es schoß hinaus und war augenblicklich von den herabspringenden Geißen umringt. Denen mußte es wohl sein, wie es dem Heidi war, wieder auf der Alp zu sein, denn sie machten so hohe Sprünge und meckerten so lebenslustig wie noch nie, und das Heidi wurde dahin und dorthin gedrängt, denn jede wollte ihm zunächst kommen und ihre Freude bei ihm auslassen. Aber der Peter stieß sie alle weg, eine rechts und die andere links, denn er hatte dem Heidi eine Botschaft zu überbringen. Als er zu ihm vorgedrungen war, hielt er ihm einen Brief entgegen.
    »Da!« sagte er, die weitere Erklärung der Sache dem Heidi selbst überlassend. Es war sehr erstaunt.
    »Hast du denn auf der Weide einen Brief für mich bekommen?« fragte es voller Verwunderung.
    »Nein«, war die Antwort.
    »Ja, wo hast du ihn denn genommen, Peter?«
    »Aus dem Brotsack.«
    Das war richtig. Gestern abend hatte der Postbeamte im Dörfli ihm den Brief an das Heidi mitgegeben. Den hatte der Peter in den leeren Sack gelegt. Am Morgen hatte er seinen Käse und sein Stück Brot darauf gepackt und war ausgezogen. Den Öhi und das Heidi hatte er wohl gesehen, als er ihre Geißen abholte, aber erst als er um Mittag mit Brot und Käse zu Ende war und noch die Krumen herausholen wollte, war der Brief wieder in seine Hand gekommen.
    Das Heidi las aufmerksam seine Adresse ab, dann sprang es zum
Großvater in den Schopf zurück und streckte ihm in hoher Freude den
Brief entgegen: »Von Frankfurt! Von der Klara! Willst du ihn gleich
hören, Großvater?«
    Das wollte dieser schon gern, und auch der Peter, der dem Heidi gefolgt war, schickte sich zum Zuhören an. Er stemmte sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten an, um einen festen Halt zu haben, denn so war es leichter, dem Heidi nachzukommen, wie es nun seinen Brief herunterlas:
    Liebes Heidi!
    Wir haben schon alles verpackt, und in zwei oder drei Tagen wollen wir abreisen, sobald Papa auch abreist, aber nicht mit uns, er muß zuerst noch nach Paris reisen. Alle Tage kommt der Herr Doktor und ruft schon unter der Tür: »Fort! Fort! Auf die Alp!« Er kann es gar nicht erwarten, daß wir gehen. Du solltest nur wissen, wie gern er selbst auf der Alp war! Den ganzen Winter ist er fast jeden Tag zu uns gekommen; dann sagte er immer, er komme zu mir, er müsse mir wieder erzählen! Dann setzte er sich zu mir hin und erzählte von allen Tagen, die er mit Dir und dem Großvater auf der Alp zugebracht hat, und von den Bergen und den Blumen und von der Stille so hoch oben über allen Dörfern und Straßen und von der frischen, herrlichen Luft; und er sagte oft: »Dort oben müssen alle Menschen wieder gesund werden.« Er ist auch selbst wieder so anders geworden, als er eine Zeitlang war, ganz jung und fröhlich sieht er wieder aus. Oh, wie freu ich mich, das alles zu sehen und bei Dir auf der Alp zu sein und auch den Peter und die Geißen kennenzulernen! Erst muß ich in Ragaz etwa sechs Wochen lang eine Kur machen, das hat der Herr Doktor befohlen, und dann sollen wir im Dörfli wohnen nachher, und ich soll dann an schönen Tagen auf die Alp hinaufgefahren werden in meinem Stuhl und den Tag über bei Dir bleiben. Die Großmama kommt mit und bleibt bei mir; sie freut sich auch, zu Dir hinaufzukommen. Aber denk, Fräulein Rottenmeier will nicht mit. Fast jeden Tag sagt die Großmama einmal: »Wie ist’s mit der Schweizerreise, werte Rottenmeier? Genieren Sie sich nicht, wenn Sie Lust haben mitzukommen.« Aber sie dankt immer furchtbar höflich und sagt, sie wolle nicht unbescheiden sein. Aber ich weiß schon, woran sie denkt: Der Sebastian hat

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