Heidi und die Monster
Grund hier, darum mag sie mich nun entschuldigen.« Er tippte an seinen Hut, breitete den Mantel aus und näherte sich der Hütte.
»Peter, das Harz!«, rief der Öhi, gleichzeitig lief er dem Untoten in den Weg.
Mit einem leichten Stoß ließ der Vampir den Großvater zurücktaumeln, dass er abermals hinfiel. »Warum lässt er’s nicht gut sein und ruht sich ein wenig aus?« Marus öffnete die Tür zur Stube, die so dunkel war, dass man kaum etwas erkannte. Doch den Geruch des Todes nahm der Professor deutlich wahr.
»Hat man im Dorf also doch keine Schauermärchen erzählt.« Er trat an die Bettstatt. »Wie heißt du denn, meine Hübsche?«
Inzwischen hatte Peter die innere Barrikade erklommen und flüssiges Harz in den äußeren Graben geschüttet.
»Jetzt die Lunte, Peter!« Unter Schmerzen stand der Öhi auf; so schwer zu stürzen war in seinem Alter keine Kleinigkeit.
Peter zog ein Tüchlein hervor, das in Spiritus getränkt worden war. Er wollte es anstecken, fand aber die Schwefelhölzchen nicht gleich. Umsonst tastete er seine Jacke und die Hosentaschen ab, hilfesuchend wandte er sich zum Großvater. »Ich hab nichts zum Anstecken!«
Im Licht des vollen Mondes kletterten die Niänenüütli bereits über die äußere Barrikade. Mit offenem Mund sah
Peter zu, wie das Heer der Glaarä von allen Seiten näher rückte. Einige versuchten schon, auch den inneren Verteidigungsring zu überwinden.
»Öhi, was tu ich?« Peter hielt das getränkte Tüchlein in Händen.
»Zieh dein Schwert und halt sie dir vom Leib!« Der Alte fasste in seine ärmellose Joppe, wo er Pfeife und Rauchzeug verstaute.
In der Hütte setzte sich Marus inzwischen neben die zugedeckte Gestalt, deren Körperumrisse das dicke Fell kaum wellten.
»Finde ich hier etwa ein unkeusches Lager«, schmunzelte er. »Im Dorf erzählt man sich viel über die Liebeskunst des Alten vom Berg, der nicht davor zurückschreckt, mit einer Leiche zu kopulieren.« Er berührte den Rand des Felles. »Wie tot ist sie wirklich?«
»Nicht so tot, wie er glaubt«, sagte eine wispernde Stimme. Rosamund schlug das Fell beiseite; Marus schaute auf die Spitze eines Silberpflocks.
»Herrje, was will sie damit?«, lachte er, doch war seine Verblüffung so groß, dass es Rosamund gelang, die Spitze auf seinen Hals zuzustoßen. Das Silber ritzte die Haut des Vampirs.
»Mädchen aus dem Zwischenreich«, sagte er nicht ohne Bewunderung. »Du hast dir ein hohes Ziel gesteckt.« Mühelos entwand er Rosamund den Pfahl und betastete seinen Hals. »Etwas tiefer hättest du zielen müssen. Wenn das geweihte Silber sein Werk tun soll, muss es mein Herz vollständig durchbohren.« Er warf das Ding achtlos in die Ecke. »Und selbst dann ist der Erfolg ungewiss.« Er beugte sich
zu ihr; die Anstrengung hatte Rosamund ihre ganze Kraft gekostet. »Ich verrate dir ein Geheimnis: Nicht auf das Silber, nicht auf das Weihwasser kommt es an, sondern auf die Reinheit des Menschen, der den Pfahl führt. Und um deine Reinheit, meine verblühte Schöne, ist es leider geschehen.«
Im Freien schlug der Großvater ein ums andere Mal auf den Feuerstein und hielt ein Büschelchen Heu daran. Die Sorge um Heidi und Rosamund ließ seine Hand zittern. Er hatte den Vampir in die Hütte gehen und nicht wieder herauskommen sehen.
»Herr im Himmel, hilf«, murmelte der Alte und kaute an seinem Bart.
Auf der Barrikade hatte Peter alle Hände voll zu tun, die anstürmenden Glaarä abzuwehren. Sie waren tumb und in ihren Bewegungen langsamer als ein Mensch, aber es waren unfassbar viele. Ein großmächtiger Niänenüütli ließ sich auf die Knie nieder, damit die Gesellen auf seinen Rücken steigen konnten. Solcherart hätten sie den Wall überwunden, wäre Peters Schwert nicht dazwischengefahren. Rastlos stieß er es in die Hälse und Brustbeine der Glaarä, keuchte und schwitzte dabei, obwohl die Frühlingsnacht angenehm kühl war.
Auf der anderen Seite des Walles kämpfte Tinette. Sie sah aus, wie man sich eine Amazone vorstellt. Das rote Haar leuchtete im Mondschein, mächtig schwang sie ihr Schwert und hatte, um besser ausholen zu können, das Schultertuch abgeworfen. Hals und Schultern glänzten lieblich, ihrem Tun aber haftete nichts Liebliches an. Unter der Barrikade lagen die Überreste enthaupteter Niänenüütli zuhauf.
»Wann bringt er endlich das Feuer?«, schrie Tinette. Sie
bemerkte, dass die Glaarä auch an anderen Stellen den spitzen Wall überwanden.
Endlich sah der Öhi ein
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