Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)
mehr schaden als nutzen kann. [25] Die amerikanische Ärztevereinigung National Physicians Alliance (NPA) hat eine Liste für die Allgemeinmedizin, die Innere Medizin und die Kinderheilkunde erstellt, der Ärzte wie Patienten entnehmen können, welche Tests und Therapien unnötig sind und mehr schaden als nutzen. Ziel ist es, die Qualität der Versorgung zu verbessern und Risiken für Patienten zu vermeiden.
So viel ist klar: Ärzte würden Patienten besser behandeln, wenn sie auf etliche Untersuchungen und Therapien verzichteten. Viele routinemäßig verordnete Röntgenbilder, Bluttests, Gesundheitschecks und Antibiotika seien überflüssig, oder der Schaden sei sogar größer als der Nutzen, so die NPA. Die Organisation hat mit Unterstützung weiterer Medizinerverbände einen Appell veröffentlicht, in dem sie auf unnötige, aber häufige Untersuchungen und Behandlungen hinweist, wie sie auch in Deutschland üblich sind.
Die Beispiele stammen aus dem medizinischen Alltag: Bei Rückenschmerzen ist beispielsweise kein Röntgenbild, Kernspin oder CT innerhalb der ersten sechs Wochen nötig. Davon ausgenommen sind Patienten mit Lähmungen oder schweren Grunderkrankungen. Kreuzschmerzen verschwinden in der Mehrzahl von allein wieder. Zudem hat die frühe Bildgebung keine Vorteile für den weiteren Verlauf des Leidens.
Bei gesunden, beschwerdefreien Erwachsenen sind keine Routineblut- oder Urintests nötig. Bei jedem Arztbesuch automatisch die Laborwerte zu bestimmen ist überflüssig und führt nicht dazu, dass Krankheiten früher entdeckt oder besser behandelt werden. Bei älteren Patienten mit Bluthochdruck kann es hingegen sinnvoll sein, auf Typ-2-Diabetes und entgleisten Fettstoffwechsel zu testen.
Ein EKG ist bei symptomlosen Patienten ohne besonderes Risiko nicht nötig. Dadurch verbessert sich der Verlauf und ihre Prognose bei womöglich verengten Kranzgefäßen nicht. Unklare Befunde sind jedoch so häufig, dass sie weitere invasive Untersuchungen nach sich ziehen, zu weiteren Fehldiagnosen und einer Übertherapie führen. Ärztegremien kommen daher zu dem Schluss, dass der Schaden den Nutzen überwiegt.
Bei banalen Atemwegsinfekten sollte auf Antibiotika verzichtet werden. Entzündungen der Nebenhöhlen sollten erst mit Antibiotika behandelt werden, wenn eitriger Ausfluss und starke Schmerzen länger als sieben Tage anhalten. Die meisten dieser Infektionen werden von Viren ausgelöst, und diese reagieren nicht auf Antibiotika. Gleiches gilt für Halsentzündungen bei Kindern, die fast immer viral bedingt sind. Nur wenn Streptokokken nachgewiesen sind, sollten Antibiotika gegeben werden. Trotz dieser schon länger bekannten Empfehlungen halten sich mehr als die Hälfte der Ärzte nicht daran. Patienten leiden unter den Nebenwirkungen, die Antibiotika werden resistent und die Umwelt belastet.
Ein Abstrich am Gebärmutterhals ist bei Frauen unter 21 Jahren nicht nötig. In jungen Jahren bilden sich die meisten Zellveränderungen von allein zurück, deshalb führen Tests bei jungen Frauen nur zu Verunsicherung und unnötigen Folgeuntersuchungen. Erstaunlicherweise werden auch bei etlichen Frauen, denen aufgrund gutartiger Wucherungen die Gebärmutter entfernt wurde, Abstriche genommen. Das ist überflüssig, auch wenn bei der Operation ein Teil des Gebärmutterhalses erhalten geblieben ist.
Bei Frauen unter 65 Jahren und Männern unter 70 ist die Knochendichtemessung unnötig. Es gehört zum normalen Alterungsprozess, dass Knochen dünner werden – für sich genommen stellt das keine Gefährdung dar. Nur wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen, können eine frühere Diagnostik und Therapie gerechtfertigt sein. Dazu gehören Knochenbrüche nach leichten Einwirkungen, langfristige Einnahme von Steroiden, Ernährung mit wenig Kalzium oder Vitamin D, Alkoholismus, starker Nikotinkonsum und ein graziler Knochenbau.
Fettsenkende Medikamente sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip allen älteren Menschen verordnet werden. Durch immer niedrigere Grenzwerte wurde die Mehrzahl der Erwachsenen zu behandlungsbedürftigen Patienten erklärt. Ist eine Therapie nötig, um die Lipide im Blut zu senken, erfüllen günstige Generika den gleichen Zweck wie überteuerte Markenprodukte.
Wenn Kinder auf den Kopf fallen und nicht bewusstlos sind, ist meist keine Bildgebung notwendig. Werden dennoch Röntgen-, Kernspin- oder CT-Aufnahmen angefertigt, lassen sich selten Folgen des Sturzes entdecken – und wenn, müssen
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