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Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Titel: Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bartens
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Hygiene-Professor schluckte 1892 freiwillig Cholera-Brühe, weil er überzeugt war, dass die Erreger ihm nichts tun würden. Da irrte er gewaltig, überlebte aber trotzdem. Oder Werner Forßmann – er stach sich 1929 einen selbstgebastelten Katheter in die Ellenbeuge, schob ihn bis zum Herz vor, ging in die Röntgenabteilung und machte eine Aufnahme. Sein Chef, der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch, schmiss ihn sofort raus. 1956 erhielt Forßmann den Nobelpreis.
    Heute müssen für unbewiesene Therapien die Privatpatienten ran. Also nochmals: Danke, liebe Privatversicherte!
    Dafür werden sie zuvorkommender behandelt. Einen schönen Satz sagt Peter Sawicki, bis 2010 Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, zum Thema: »Privat Versicherte warten kürzer auf unnötige Operationen und überflüssige Röntgenaufnahmen.« Eine Freundin des Autors drückt es auch originell aus: »Seit ich privat versichert bin, nehmen sich die Ärzte mehr Zeit, um mir von ihrem Ärger über das Gesundheitswesen zu erzählen.«
    Es lässt sich statistisch, anekdotisch und mit Beispielen aus dem Ausland zeigen, was Privatpatienten alles mitmachen müssen – und dass ihnen das nicht unbedingt guttut.
    Erst zur Statistik: Jährlich werden die Daten zur medizinischen Versorgung in Deutschland erhoben und mit anderen Ländern verglichen. Die Analysen zeigen, dass Privatversicherte häufiger zum Facharzt gehen, länger im Krankenhaus behandelt und häufiger operiert werden. Die Operationen scheinen in vielen Fällen nicht nötig zu sein, denn Privatpatienten geht es keineswegs besser. 33 Prozent der Privatversicherten berichten von Doppeluntersuchungen in kurzer Zeit. Unter den gesetzlich Versicherten sind es 18 Prozent. Privatpatienten bekommen auch häufiger neue Arzneien, die noch nicht lange erprobt und deshalb potentiell gefährlicher sind. [39]  
    Privatversicherten wird öfter das Knie gespiegelt. Dabei werden Knochenwülste abgefräst, und das Gelenk wird gespült. Der Orthopäde Bruce Moseley hat gezeigt, wie fragwürdig der Eingriff ist. Er teilte Patienten mit Knieschmerzen in Gruppen ein. Eine bekam das Gelenk geglättet, die zweite gespült, bei der dritten ritzte Moseley nur die Haut ein, wo der Schlauch eingeführt wird; dazu kamen Spülgeräusche vom Tonband. Ein Jahr später ging es den Operierten nicht besser als jenen, die nur zum Schein behandelt wurden. [40]  
    Nicht jeden erwischt es so schlimm wie den Hypochonder, der privat versichert ist – eine gefährliche Kombination. Seine Tochter, ebenfalls privat versichert, bekam Bauchschmerzen. Die Hausärztin beruhigte die Familie und schickte sie nach Hause – fast. Im Rausgehen riet sie den Eltern, in der Klinik klären zu lassen, ob nicht der Wurmfortsatz vereitert sei. Zur Sicherheit, man wisse ja nie.
    Wenn Ärzte sagen, sie machen etwas »zur Sicherheit«, folgt grundsätzlich die große Verunsicherung.
    Die Ärzte fanden bei dem Mädchen nichts Krankhaftes, rieten aber dazu, »zur Sicherheit« das Kind fünf Tage in der Klinik zu behalten. Nur mit Mühe und unter der Maximaldrohung »Sie verlassen das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat« verließ die Familie die Klinik. Am nächsten Morgen konnte das Mädchen wieder in die Schule.
    Ein anderer Privatpatient ging mit Rückenschmerzen zum Arzt. Zwei Tage später sollte er zum Kernspin wiederkommen. Mehr als 90 Prozent aller Rückenschmerzen verschwinden von allein, aber »um akute Ereignisse auszuschließen«, ließ der Arzt sofort eine Röntgenaufnahme anfertigen. Was für ein Unsinn! Zweimal Bilder, einmal davon mit unnötiger Strahlenbelastung. Beides hätte man dem Patienten ersparen können.
    Jeder Arzt würde beim Bier zugeben, dass Privatpatienten zu viel überflüssiger Medizin ausgesetzt werden. Öffentlich sagen das nur wenige. »Die ausufernde Anwendung von gefährlicher Diagnostik und Therapie des Geldes wegen ist längst eine Gefahr für Privatversicherte«, sagt Ellis Huber, Ex-Präsident der Berliner Ärztekammer. Seit kurzem gibt es die Begriffe Überdiagnostik und Übertherapie. Das heißt, Veränderungen im Körper werden erkannt und behandelt, von denen die Menschen nie etwas bemerkt hätten.
    In der Talkshow von Anne Will saß zu einem Medizin-Thema ein Rentner-Paar auf dem Betroffenen-Sofa. Beide waren empört, dass sie für ihren gestiegenen Kassenbeitrag nicht mehr Leistung erhielten. Wer mehr zahlt, soll mehr Medizin haben, so ihre Logik. Viele

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