Heimat Mars: Roman (German Edition)
›Ylla‹ gespielt, und mein Bruder war ›Mr. Ttt‹ gewesen. ›Mr. Ttt‹, der sich verteidigte, mit goldenen Bienen um sich schoss und den angekommenen menschlichen Astronauten nachstellte …
Nervös wie ich war, unterhielt ich Charles mit vielen Geschichten, während der kleine Bummelzug über Gräben und Steppe ratterte. Ich bemühte mich, ganz gelassen zu wirken, aber in Wirklichkeit fühlte ich mich elend. Ich hatte Charles nach Ylla eingeladen, um ihm eine ganz bestimmte Frage zu stellen. Aber inzwischen empfand ich diese Frage als grob und unnötig. Als grob deshalb, weil er den Versuch mit dem QL-Denker bestimmt von sich aus erwähnt hätte, wenn er es mich hätte wissen lassen wollen. Als unnötig, weil ich sowieso vorhatte, unsere kurze Beziehung abzubrechen. Aber das konnte ich ihm im Zug nicht einfach so vor den Kopf knallen.
Und auch nicht beim Abendessen. Meine Eltern gaben bei diesem Essen natürlich ihr Bestes, so freuten sie sich, dass ich endlich mal einen jungen Mann zu uns eingeladen hatte.
Besonders Vater hatte großes Interesse an Charles und stellte ihm unentwegt Fragen. Vor allem betrafen sie das Embargo, das die Erde über die BG Klein verhängt hatte. Charles antwortete höflich und nach bestem Wissen. Er sah keinen Grund, einer so hochgestellten Persönlichkeit wie meinem Vater irgend etwas zu verheimlichen.
Meine Eltern hielten nicht viel von Nano-Nahrung, sie bevorzugten im Garten gezüchtete und synthetische Produkte. Also aßen wir Kartoffeln, Pastete aus synthetischem Käse, Obstsalat, und als Nachtisch gab es den hervorragenden synthetischen Käsekuchen – Spezialität meines Vaters –, serviert zu heißem Tee. Nach dem Essen setzten wir uns ins Museumszimmer. Es war klein, und wie die meisten Räume alter Marsstützpunkte, mit Krimskrams vollgestopft. Natürlich durfte dort die bewegte Schattenbox von der Erde ebenso wenig fehlen wie ein Aquarium mit Umwälzanlage oder die kleinen, veralteten LitVid-Projektoren, die in die Wand eingelassen waren.
Ich hatte meine Eltern lieb und gab viel auf ihre Meinung, aber die Tatsache, dass sie Charles sofort und ohne Vorbehalte ins Herz schlossen, brachte mich in Rage. Charles war genau der, auf den sie gewartet hatten. Er passte ganz wunderbar. Mein Vater und Charles lehnten sich in ihren Sesseln vor, steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sie wie alte Kumpel darüber, dass möglicherweise harte Zeiten bevorstanden.
Selbstverständlich fragte mein Vater Charles auch, was er später vorhabe.
»Vieles«, antwortete Charles. »Für einen Marsianer bin ich viel zu ehrgeizig.«
Mutter bot ihm noch Tee an. »Warum sollten Marsianer denn nicht ehrgeizig sein?!«, sagte sie und zog die Lippen wie tadelnd zusammen.
»Das, was ich vorhabe, ist hier und jetzt einfach nicht praktikabel«, antwortete Charles. Er schüttelte den Kopf und grinste verlegen. »Ich bin nicht sehr praktisch eingestellt.«
»Inwiefern nicht praktikabel?«, wollte mein Vater wissen.
Er ist extra hierhergekommen, um mit mir zusammenzusein, dachte ich. Und jetzt vertut er die Zeit damit, mit meinen Eltern Konversation zu machen. Und dann redet er ausgerechnet auch noch über das, was er als Physiker vorhat.
»Der Mars hat nicht die nötigen Forschungsmittel, noch nicht. Bis er sie hat, können noch Jahrzehnte vergehen«, erklärte Charles. »Auf unserem Planeten gibt es überhaupt nur zwei Denker, die der Physik vorbehalten sind. Außerdem gibt’s einige Dutzend kaum geeigneter Computer, und die sind an Universitäten gebunden und haben ewig lange Wartelisten. Ich bin zu jung, um auf irgendeine Warteliste zu kommen. Für meine Arbeit sind die Mittel hier zu primitiv, aber …« Er brach ab und ließ die Hände nebeneinander in der Luft baumeln, um seiner Rede mit dieser kleinen, unbeholfenen Geste mehr Nachdruck zu verleihen. »Für die Arbeit, wie ich sie gern tun möchte, bräuchte ich die ganzen Möglichkeiten, die auf der Erde verfügbar sind.«
»Warum gehen Sie dann nicht zur Erde?«, erkundigte sich mein Vater.
»Ja, warum eigentlich nicht?«, warf ich ein. »Es wäre bestimmt eine tolle Erfahrung.«
»Keine Chance«, erwiderte Charles. »Meine Noten sind nicht die besten, bei den psychologischen Beurteilungen habe ich auch nicht gut genug abgeschnitten. Wenn Leute von außen kommen und auf der Erde arbeiten wollen, werden sie an sehr strengen Kriterien gemessen … Wir müssen zehnmal besser sein als jeder Erdenbürger.«
Mein Vater witterte
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