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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mit seinen Eltern über mich zu sprechen?
    »Ihr einziges Kind liegt ihr sehr am Herzen.«
    »Aber wir sind doch erwachsen!«
    »Sie hat einen recht netten Eindruck gemacht und keine indiskreten Fragen gestellt. Natürlich hält sie Charles für einen tollen jungen Mann, und nach dem, was sie mir erzählt hat, ist er das wohl auch. Ich nehme an, du findest ihn auch toll. Ist er toll?«
    Ich stotterte, suchte nach Worten, um meiner Empörung angemessenen Ausdruck zu verleihen. Sie legte mir einen Finger über den Mund. »Wir rauben euch jungen Leuten nun mal gern den letzten Nerv. Sieh es einfach als Racheakt für das an, was wir früher mit euch Zweijährigen aushalten mussten. Charles ist jederzeit willkommen.«
    Auf dem Mars und vom Mars lebten damals vier Millionen Bürger und rund fünfhunderttausend angehende Bürger – nicht ganz die Einwohnerzahl, die die alten Vereinigten Staaten im Jahre 1800 gehabt hatten.
    Manche Bürger in spe waren Eloi, die von der Erde gekommen waren, um auf dem Mars eine neue Existenz zu begründen. Auf dem Mars wurde eine Lebensspanne von zehn Jahren hoch drei, von mindestens tausend Erdjahren also, nicht nur toleriert, sondern gar nicht weiter beachtet. Auf der Erde hatte man die künstliche Ausdehnung von Lebensspannen über mehr als zweihundert Jahre hinaus gesetzlich verboten. Deshalb mussten die Eloi entweder emigrieren oder ihre Behandlungen rückgängig machen. Der Mars ließ es sich von der Erde gut bezahlen, dass er alle und jeden Eloi aufnahm – allerdings wurde das nicht an die große Glocke gehängt.
    Andere Immigranten waren einfache Pioniere, die mit dem Ziel von Erde oder Mond auf den Mars gekommen waren, dort ein schlichteres, elementares Leben zu finden. Sicher waren sie vom Mars enttäuscht: Die Zeit der Isolation, in der es nur schwammige Felsen und enge Tunnel zwischen den unterirdischen Kuppeln gegeben hatte, war längst vorbei.
    Ich nahm Charles auf dem Bahnhof von Kowloon, zehn Kilometer von unserer Siedlung in Ylla entfernt, in Empfang. Als er seine Reisetasche vom Band hob, entdeckte ich Sean Dickinson in einem der Zugfenster. Selbst mit einer Einwohnerzahl von knapp fünf Millionen Menschen (plus rund dreihundert gesetzlich anerkannten Denkern der Künstlichen Intelligenz), die sich auf ein Gebiet von der Größe der Erde verteilten, wirkte der Mars noch heimelig. Unweigerlich stieß man überall auf Menschen, die man kannte. Sean und ich nickten uns herzlich zu. Demonstrativ umarmte ich Charles. Sean sah gleichmütig zu uns herüber, als der Zug aus dem Bahnhof glitt.
    »Ich bin unglaublich froh, dich zu sehen«, sagte Charles.
    Ich murmelte irgend etwas Freundliches und drückte ihm die Hand. »Das war Sean«, sagte ich. »Hast du ihn gesehen?«
    »Ich hab sogar neben ihm gesessen. Er wirkte besser drauf als beim letzten Treffen. Ich soll dir ausrichten, dass ihm die blöden Bemerkungen gegen dich leidtun. Er fährt in den Süden. Ich hab nicht gefragt, wohin.«
    »Das ist nett«, sagte ich und wurde rot. »Willkommen in Jiddah Planum. Voll kaufmännischer Angestellter, Finanzberater und kleiner Ingenieursbetriebe. Ohne nennenswerte Fossilien, ganz zu schweigen vom Gläsernen Meer.«
    »Du bist hier, das reicht«, erklärte Charles. Wir überquerten den Fußgängerweg zur Eingangshalle und holten Fahrkarten. Ylla lag in den nördlichen Außenbezirken von Jiddah Planum. Kleine Bummelzüge fuhren von Kowloon nach Jiddah, Ylla und auch zu kleineren Stationen im Osten.
    Charles wirkte im Gesicht hagerer. Wir waren nur eine Woche getrennt gewesen, aber er hatte sich sehr verändert. Es betraf nicht nur seine Gesichtszüge, sondern auch seine innere Verfassung. Er hielt mich eng an sich gedrückt, als wir in den Zug stiegen. Mit einem Seufzer ließ er sich auf den Sitz fallen. »Mein Gott, es ist so schön, dich wiederzusehen«, sagte er. »Erzähl mir, was du in der Zwischenzeit getrieben hast.«
    »Das hab ich dir doch schon geschrieben.«
    »Sag’s mir persönlich. Da ich nur deine Briefe hatte, hab ich mir Sorgen gemacht.«
    »In Briefen ist das immer so schwer auszudrücken.«
    »Erzähl.«
    Ich erzählte ihm, dass ich mich bei der BG Majumdar für ein Praktikum beworben hatte. Er fand das ohne jede Einschränkung gut und richtig. »Die tapfere und edle Casseia«, sagte er. »Angesichts der Tradition strebt sie gleich zur Spitze.«
    »Die Tradition betrifft nur meinen Vater«, entgegnete ich. »Meine Mutter macht sich eigentlich nicht viel aus

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