Heimat Mars: Roman (German Edition)
ernst ist?«
»Ja.«
»Dann reicht die politische Theorie des Mars nicht aus. Das ist nur ein Klacks, verglichen mit den Theorien, die auf der Erde gelehrt werden.«
»Aber die Studiengänge der Erde sind teuer.«
»Und, leider Gottes, wohl auch voreingenommen und ganz und gar auf die Geschichte und Praxis der Erde ausgerichtet. Aber sie sind für das, was du offensichtlich vorhast, immer noch die beste Grundlage.«
»Ich möchte nichts verlangen, was niemand sonst in der Familie je bekommen hat.«
»Warum denn nicht?«, fragte sie munter. Sie genoss die Gelegenheit, mit ihrer Meinung aus der Reihe zu tanzen.
»Es kommt mir einfach nicht richtig vor.«
»Bisher hat sich niemand in unserem Familienzweig für Regierungsführung interessiert. Geldgeschäfte, Wirtschaft ja, aber noch nie systemtheoretische Politikwissenschaft.«
»Ich schlage eben aus der Art!«
Sie schüttelte den Kopf. »Jedenfalls bist du ganz meine Tochter, das ist nicht zu übersehen. Ich räum dir die Steine aus dem Weg, wenn du’s wirklich willst.«
»Mutter, wir könnten uns höchstens ein Jahr leisten …«
»Ich rede nicht von einem Fernstudium. Wenn du die Sterne vom Himmel holen willst, dann suche dir möglichst strahlende aus. Das Mindeste, was du anstreben solltest, ist ein Stipendium von Majumdar und ein Praktikum.«
Daran hätte ich im Traum nicht gedacht. »Praktikum? Bei wem?«
Sie schnitt eine Grimasse. »Wer in unserer Familie weiß denn wohl am meisten über Politik, vor allem über die Politik der Erde? Dein Onkel dritten Grades!«
»Bithras?«
»Falls dein Vater und die Pädagogen der BG damit einverstanden sind. Ich allein könnte das nicht in die Wege leiten. Auf diesem Gebiet bin ich immer noch so etwas wie eine Außenseiterin. Ich weiß auch nicht genau, ob dein Vater genügend Fäden ziehen und eine solche Gefälligkeit einfordern könnte. Seit deiner Geburt sind wir nur dreimal mit Bithras zusammengetroffen, er hat dich noch nie gesehen …«
»Und was würde ich bei ihm machen?«
»Dich mit BG-übergreifenden Angelegenheiten befassen, natürlich auch mit Angelegenheiten des Dreierbundes. Du würdest die Tagungen des Rates besuchen, nehme ich an, und dich außerdem in die Charta und das Handelsrecht einarbeiten.«
»Das wäre ja genau das, was ich brauche«, stellte ich nachdenklich fest.
»Am besten wäre natürlich ein Praktikum bei einer richtigen Regierung. Aber eine solche Chance ist das Zweitbeste. Auf unserer Ebene, auf der Ebene der Einzelsiedlung, neigen wir dazu, diese Art der Lenkung gar nicht weiter zu beachten, und dafür bin ich auch ganz dankbar.«
»Aber ich müsste trotzdem noch Fernkurse der Erde belegen, um meinen Studienplan mit theoretischem Wissen zu ergänzen.«
Sie lächelte hintergründig und gab mir einen leichten Nasenstüber. »Klar doch. Aber das müssten nicht wir tragen. Jede Ausbildung, die mit einem Praktikum verbunden ist, wird aus dem Gesamtbudget aller Familien bezahlt.«
»Du hast hinter meinem Rücken schon länger darüber nachgedacht«, stellte ich vorwurfsvoll fest.
»Ich hab deine Überspanntheiten immer toleriert«, sagte sie, hob das Kinn und streckte den Hals vor, »weil unsere Familie das unabhängige Denken der Jugend nach Kräften fördert. Wir hoffen sogar, dass die Jugend neue Dinge ausprobiert. Aber ich hätte, ehrlich gesagt, nie geglaubt, dass meine eigene Tochter in die Politik geht …«
»Ich studiere Staatslehre«, korrigierte ich.
»Und das soll ein Beruf sein! Das bringt mich natürlich ein bisschen aus der Fassung, aber ich bin auch schon sehr gespannt. Gespannt auf das, was du mir später im Streit um die Ohren hauen kannst, wenn du dich einige Jahre mit dem Rat befasst hast.«
»Wir streiten doch nie«, wandte ich ein und umarmte sie.
»Nie«, bestätigte sie. »Aber dein Vater glaubt’s.«
Ich ließ sie los. Nachdem diese Sache geklärt war, musste ich ein weiteres Problem lösen. »Mutter, ich möchte jemanden nach Ylla einladen. Er kommt aus Durrey und braucht Urlaub – er hat gerade ziemlich schlimme Sachen durchgemacht …«
»Charles Franklin aus der BG Klein«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Ich hatte Charles nie erwähnt.
Sie lächelte und warf mir einen weiteren Rätselblick zu. »Seine Mutter hat hier angerufen. Sie wollte wissen, ob du ihren Sohn überhaupt verdienst.«
Wie schockiert ich war, konnte sie wohl kaum übersehen.
»Wie kommt sie dazu?!« Und dahinter stand die Frage: Was dachte sich Charles dabei,
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