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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Politik.«
    »Wir alle werden es uns nicht mehr lange leisten können, die Politik zu ignorieren«, sagte Charles. »Die BG Klein hat ihren Schlag schon abbekommen. Bald wird es auch andere treffen.«
    »Schläge von der Erde? Von der GOWA?«
    Er zuckte die Achseln und blickte durchs Fenster auf die langweilige, ockerfarbene Steppe, die flachen kilometerbreiten Täler und die Gräben, die man bei uns fossae nannte. »Wir stellen eine Art Bedrohung dar. Welcher Art, das scheint niemand zu wissen. Aber sie wollen uns zusetzen, das ist nicht zu übersehen. Nächste Woche wenden wir uns an den Rat und beantragen eine Solidaritätserklärung und finanzielle Unterstützung.«
    »Finanzielle Unterstützung?« Ich konnte es nicht fassen. Die BGs des Mars baten nur selten darum. Wer so etwas beantragte, musste konkurrierenden BGs viele Zugeständnisse machen und Eingriffsrechte einräumen, nur dann wurden Zahlungen aus dem allgemeinen Fond gewährt.
    »Wir stecken tief im Schlamassel, wie du weißt. Ich hoffe, Majumdar bleibt davon verschont.«
    »Und was wollt ihr machen, wenn ihr im Rat einen Aufruf zur Solidarität durchkriegt? Der nächste Schritt wäre wohl der Aufruf zur vereinten Aktion aller BGs …«
    »Pst«, machte er und streckte einen Finger hoch. »Sag nicht vereint. « Er lächelte, aber das Lächeln wirkte nicht echt.
    »Wieso haben sie dich überhaupt weggelassen?«
    »Ich hab in der Planungsphase mehr als genug geleistet. Ich hab drei Tage, dann muss ich zurück.«
    »In vier Tagen geht in Durrey das neue Quartal los«, sagte ich.
    »Ich werde es wohl versäumen.«
    »Du brichst dein Studium ab?«
    »Ich lege ein Freisemester ein, aus zwingenden familiären Gründen. Bis die Krise vorbei ist, muss ich Gewehr bei Fuß stehen.«
    »Das könnte dich ein ganzes Jahr kosten.«
    »Ein Marsjahr«, sagte Charles und streichelte meinen Arm. »Ich schaff das schon. Ich hab nun mal das Pech, einer BG anzugehören, die recht wackelig dasteht. Wenn du jetzt auf höchster Ebene in die Regierungsführung einsteigst, sollten wir deine Familienbindung vielleicht auf die BG Klein übertragen …«
    Plötzlich war das gar nicht mehr lustig. Ich konnte meinen Ärger nicht verbergen und drehte mich weg. Charles war bestürzt. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich wollte dich nicht kränken. Ich wollte eigentlich nur hierherkommen, um dich zu überreden … und dann hast du gesagt … ich weiß, Casseia, es tut mir leid.«
    »Macht ja nichts.« Er wusste gar nicht, warum ich so wütend war, er konnte es gar nicht wissen – noch nicht. »Wir müssen über viele Dinge reden, Charles.«
    »Du bist so ernst«, sagte er. Er schloss die Augen und lehnte sich gegen die Kopfstütze. »Das wird wohl kein richtiger Urlaub?«
    »Doch, natürlich«, sagte ich ein ganz klein wenig verlogen.
    Als Charles bei uns ankam, war es ungewöhnlich leer. Die meisten meiner direkten oder angeheirateten Verwandten, die Ylla normalerweise wie eine Schar netter aushäusiger Katzen bevölkerten, zogen derzeit anderswo herum, hatten sich über den ganzen Mars verteilt, um Geschäfte zu erledigen oder Urlaub zu machen. Wir hatten die seltene Gelegenheit, ganz privat zusammenzusein. Gott sei Dank würden Charles und ich weder den neugierigen Blicken ungezogener Bengel, noch den indiskreten Fragen meiner Tanten oder den frechen Anspielungen meiner älteren Vettern ausgesetzt sein. Selbst mein Bruder war nicht da. Ylla würde still und leer sein. Dafür war ich außerordentlich dankbar.
    Ylla erstreckte sich über sechzig Hektar Steppenboden, der recht eintönig wirkte. Außer Wasseradern und Kuhlen mit festem Eis bot die Siedlung nur wenig Interessantes. Im ersten Jahrzehnt erweiterter Marsbesiedelung, vor dreißig Marsjahren, hatten Schürfer entlang der Wasserader Athene eine Reihe möglicher Stützpunkte markiert, drei davon hatte man tatsächlich errichtet. Ylla, im Volksmund ursprünglich ›Wo ist Ylla?‹ genannt, war die erste der Siedlungen gewesen.
    Marsbewohner galten als nicht gerade sensibel, aber das empfand man nicht als Mangel. Die ersten Siedler kamen in der neuen Heimat an, wurden verschiedenen Stützpunkten zugeteilt, legten sich schnell ein dickes Fell zu und dachten praktisch. Schließlich handelte es sich nicht um ein Picknick. In jenen Jahren war es schwer genug, die Stützpunkte zu halten und am Leben zu bleiben, auch wenn man es auf dem Mars nicht mit unglückseligen Eingeborenen zu tun hatte. Trotzdem hatte ich als kleines Mädchen

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