Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
läßt. Diese Frechheit macht aus einem einfachen Schriftsteller erst den mit allen Wassern gewaschenen Reporter, für den einfach kein Hindernis zu hoch ist, um nicht hinüberspringen zu können.
    Dies alles ahnte Hilde nicht. Sie dachte nur 1:0 für mich! Sie freute sich zu früh, denn Wüllner setzte sich gemütlich zurecht, indem er sich weit nach hinten in die Polster lehnte.
    »Regeln sind immer das fragwürdige Werk von bemitleidenswerten Menschen, die keine Fantasie besitzen. Außerdem gibt es bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme. Abgesehen davon möchte ich Ihnen dringend raten, bei diesem feuchtkalten Wetter einen Schal zu tragen.«
    Hilde starrte entsetzt auf den lächelnden Heinz und schüttelte die wirren blonden Locken aus dem Gesicht. Gab es so viel Unverfrorenheit noch einmal? Ein Mann, der eine übermüdete Dame stehen läßt, so daß sie auf seinen Schoß fällt, und der, anstatt wenigstens dann aufzuspringen und seinen Platz mit vielen Entschuldigungen anzubieten, sich lümmelhaft in seinem Sitz räkelt und unverschämte Sprüche von sich gibt.
    Brüsk wandte sie sich ab und nestelte an dem Halsausschnitt ihres braunen, glatten Fohlenmantels.
    »Ob ich einen Schal um den Hals trage oder einen Bindfaden, das kann Ihnen doch gleichgültig sein«, brummte sie wütend.
    »Unter normalen Umständen bestimmt. Aber es würde mir ehrlich weh tun, wenn die Leute über Ihren Bindfaden lachen sollten.«
    »Und warum? Schließlich werde doch ich ausgelacht und nicht Sie!«
    »Eben darum!«
    Hilde starrte ihren Gegner entsetzt an.
    »Sie reden irr, mein Herr!« war das einzige, was sie entgegnen konnte. Aber weiter kam sie auch gar nicht, denn Wüllner richtete sich ein wenig auf und fragte:
    »Warum nennen Sie mich ›Mein Herr‹? Ich heiße Heinz, ganz schlicht Heinz – wenn es Sie interessiert.«
    »Wenn! Aber es interessiert mich nicht im geringsten!«
    »So?« meinte er lächelnd. »Dann verstehen Sie aber nichts von Psychologie.«
    Hilde wurde rot wie der Kamm eines Hahnes. Aber im Inneren bohrte ein wilder Triumph. Jetzt würde er endlich seine Sicherheit aufgeben müssen. Für was hielt sich dieser Kerl eigentlich?
    »Ich bin Studentin der Psychologie«, entgegnete sie mit Wonne und blickte auf Wüllner, als erwarte sie, daß er vor Scham und Bewunderung in den Boden versinke. Und sie fügte selbstzufrieden hinzu: »Unter diesen Umständen darf man wohl annehmen, daß es ungeschickt von Ihnen ist, ausgerechnet mir mit Psychologie zu kommen, von der Sie so gut wie keine Ahnung zu haben scheinen.«
    So, dachte sie, dem hab' ich's aber gegeben. Der wird sich jetzt ganz klein machen.
    Statt dessen erhob sich der Lümmel ein wenig von seinem Sitz und stellte liebenswürdig fest:
    »Wenn jemand wie ich Philosophie, Psychologie, Germanistik, Theater- und Zeitungswissenschaft und ein wenig Literaturhistorik studiert hat und dann auch noch mit einem psychologischen Thema promovierte, so darf man unterstellen, daß dieser Mann ebenfalls ein bißchen was von der Psychologie versteht.«
    Hilde Brandes errötete bis unter die Haarwurzeln. Sollte sie von diesem schrecklichen Menschen mit dem alltäglichen Namen Heinz eine Niederlage nach der anderen einstecken? Sie fühlte fast, wie er innerlich triumphierte, und sah keine Möglichkeit, ihm in irgendeiner Form Einhalt zu gebieten.
    »So?« entgegnete sie nur einfach, als sei sie völlig uninteressiert. »Sie haben promoviert? Das sieht man Ihnen gar nicht an.«
    »Man sieht einem Seehund auch nicht an, daß er eine Lampe auf der Nase balancieren kann«, meinte er trocken.
    Hilde mußte trotz allem lächeln. Dieser junge, graumelierte Herr war eine Seltenheit. Lümmel und Mann, Bildung und Frechheit, Eleganz und Gassenmanieren gaben sich da ein merkwürdiges Stelldichein. Was sein wirkliches Wesen war; wo er anfing, sein wahres Gesicht zu zeigen, und aufhörte zu schauspielern, das konnte Hilde Brandes selbst bei aller psychologischen Ausbildung nicht an ihm feststellen.
    Wüllner warf einen Blick aus dem Fenster und stellte fest, daß sich die S-Bahn seinem Fahrtziel näherte. Zwei Stationen hatte er also noch Zeit, um die Angelegenheit mit dem blonden Wuschelkopf in Ordnung zu bringen. Also ging er zur Offensive über. Er streckte ihr seine Hand hin:
    »Wollen wir nicht Frieden schließen, Fräulein …«
    Hilde kam ihm ungewollt zu Hilfe, indem sie, ohne zu überlegen, sich leicht verneigend vorstellte:
    »Hilde Brandes.«
    »Fräulein Brandes. Danke.«
    »Mit

Weitere Kostenlose Bücher