Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
Vom Netzwerk:
Wort.
    »Dickie«, keuchte ich. »Was machst du hier?«
    Er war mißtrauisch. »Bist du hergekommen, um mich wieder in die Zelle zu sperren?«
    »Nein, niemals! Wie kannst du das nur glauben, nachdem wir beide zusammen geflogen sind? Es war der schönste Flug, den ich in meinem ganzen Leben gemacht habe. Und das durch dich — weil du mit mir geflogen bist.«
    »Du hast dich aber von mir getrennt. Gleich, als wir wieder nach Hause geflogen sind, hast du aufgehört, an mich zu denken, das ist mir klargeworden. Und glaub ja nicht, daß ich dich nicht auch verlassen kann. Ich kann abhauen und niemals wiederkommen. Was machst du dann?«
    Er sagte das so, als ob er sofort eine Antwort von mir erwartete, als ob es eine Katastrophe wäre, wenn er mich verließe. Als ob ich nicht schon fast mein ganzes Leben recht gut ohne ihn gelebt hätte.
    »Es tut mir leid«, sagte ich zu ihm. »Lauf jetzt bitte nicht weg.«
    »Mich kann man ja leicht vergessen«, erwiderte er.
    »Darf ich nicht wissen, wer du bist? Können wir nicht Freunde sein«, fragte ich. Ich könnte auch ohne ihn weiterleben, dachte ich. Aber es wäre einfach gemein, wenn er jetzt wieder in die Tiefen meines Unterbewußtseins verschwinden würde, wo es doch noch soviel in meinem Innern zu entdecken galt.
    Er antwortete nicht. Er wird eine schwierige Beute werden, dachte ich, aber es ist gar nicht so dumm von ihm, mir wegzulaufen. Warum sollte er einem Typen trauen, der ihn in ein Verlies steckt und einfach weggeht? Wenn jemand ein Dummkopf ist, dann nicht der Kleine.
    Ich saß auf den getrockneten Lehmplatten des ehemaligen Sees und blickte zu den weit entfernten Hügeln.
    »Wo sind wir?« fragte ich.
    Traurig erwiderte er: »Dies ist mein Land.«
    »Dein Land?« fragte ich zurück. »Warum ausgerechnet ein solch unwirtlicher Ort, Dickie? Du hättest dir jeden anderen Ort in meinem Bewußtsein aussuchen können, irgendeinen, jedenfalls den besten. Du hättest freie Wahl gehabt.«
    »Dieses hier ist der beste Ort«, antwortete er, ohne zu zögern. »Sieh dich nur um.«
    »Er ist tot. Du hast dir den größten trockenen See in der südlichen Wüste ausgesucht. Und so etwas nennst du dein Land, den besten Ort?«
    »Es ist kein trockener See.«
    »So weit das Auge reicht, ist er völlig flach, überall ausgetrockneter Schlamm, Meile um Meile. Das ist Death Valley, oder was sonst?«
    Er sah von mir weg in weite Ferne. »Es ist nicht meilenweit nur trockener Schlamm, er ist in sich sehr unterschiedlich. Dieser trockene Schlamm existiert so in deiner Erinnerung. Das ist deine Kindheit.«

13
     
    Jedes seiner Worte klang in mir nach, und ich war nicht fähig zu antworten. Er hat recht, dachte ich schließlich, das ist tatsächlich sein Land. Ein paar Mal hatte ich darin eine alte Erinnerung gesucht, und immer hatte es so ausgesehen: trocken, tot, verlassen — alles war zu Staub zerfallen und vertrocknet. Nach einer Weile zuckte ich mit den Schultern: Nein, die Kindheit war glücklich, aber die Erinnerung miserabel, und ich hatte gelernt, ohne sie zu leben, fast gar nicht mehr daran zu denken. Jetzt stand ich unvermittelt im verdorrten Land meiner Kindheit.
    Er sah mich noch immer an: mich, den Mann, der er geworden, nach all den Jahren, sein eigenes Ich.
    Irgendwann fand ich meine Worte wieder: »Sind die Erinnerungen für dich auch tot?«
    »Selbstverständlich nicht, Richard.«
    »Aber warum sehen sie so aus?« fragte ich verwirrt.
    »Sie sind vergraben«, erwiderte er mit ruhiger Stimme. »Jede einzelne von ihnen. Ich kann sie wieder hervorholen, wenn ich das möchte.« Er grinste mich an, als ob er mir soeben den ersten von tausend Eimern Wasser über den Kopf gegossen hätte.
    »Meine ganze Kindheit?« wollte ich wissen.
    »Klar. Du hast mich verlassen, also verlasse ich dich auch.«
    Ich berührte die harte Erde unter mir und klopfte auf die Kruste eines gebrannten Vielecks. Der Ton hätte gut zu einer Stahlplatte gepaßt.
    Ich blickte mich um. »Ist der Wasserturm hier? Warum erinnere ich mich an den Wasserturm? Was bedeutet das?«
    Er lachte und imitierte meine Stimme, so gut er konnte. »Er ist die größte Erhebung hier, nehme ich an.«
    »Dickie, bitte, ich muß das jetzt wissen. Ich tausche mit dir den Wasserturm gegen einen Flug zum Wasserturm. Was hältst du davon?«
    »Den Flug hatte ich bereits«, erwiderte er mit einem gewissen Triumph in der Stimme. »Den hast du mir geschuldet. Und du schuldest mir mindestens noch eine Million weitere.«
    Niemand

Weitere Kostenlose Bücher