Heimkehr
mich so wohl wie beim Anblick eines Skorpions, der im Bett auf einen zukriecht. Aber besser hier auf der Leiter stehen, als einen Skorpion im Bett zu haben, der mit erhobenem Stachel und offenen Scheren auf einen zukrabbelt. Kleiner Pfiff. Dann noch eine weitere Sprosse.
Meine Hände verloren langsam den Halt, ich schlang meinen rechten Arm um eine Sprosse und krallte die rechte Hand in mein Hemd. Bevor ich fallen konnte, mußte sich erst der Arm von mir ablösen.
Oder die Sprosse müßte nachgeben, und dann würde ich rückwärts von der Leiter stürzen. Was tue ich hier eigentlich? Ich bin drauf und dran, zu sterben, und zwar ohne vernünftigen Grund. Warum tue ich das?
Ich war auf Stufe siebzehn angekommen und klammerte mich mit beiden Armen an Sprossen und Leiter fest. Die Stufen waren nun nicht mal mehr zwei Fuß breit. Oberhalb meiner Schulter befand sich der dunkle, breite
Rand des Wassertanks, eine stabile Masse Metall, aber woran sollte ich mich festhalten, wenn die Leiter unter mir zusammenbrach? Kein Pfiff der Freude, keine Erleichterung, es geschafft zu haben. Ich konnte nur das Holz umarmen und versuchen, nicht vor Angst zu schreien. Drei Stufen hatte ich noch vor mir.
Zwei Stufen, sagte ich zu mir. Nur zwei kleine Schritte. Es interessiert mich nicht, daß es in Wirklichkeit drei sind, du hast nur noch zwei vor dir. Auf keinen Fall nach unten sehen. Nach unten… unten… unten. Ich werde nach oben blicken. Jawohl. Und ich werde meine Blicke über die Hügel erheben… Vater spricht diese Worte als Tischgebet. Aber dabei kann niemand sich zu Tode stürzen. Mein Gott, ist das hoch. Zwei Stufen noch.
Zwei Stufen höher. Mir wurde schlecht, als ich den Rand vom Wasserturm sah. Nicht direkt bei seinem Anblick, aber bei dem Gedanken, daß der Rand jetzt schon mit beiden Händen zu greifen war, und wenn ich das täte, würde ich vom Rand des Turmes herunterhängen, und es gäbe keinen Weg mehr zurück zur Leiter, und ich würde im Weltraum hängen, bis meine Kräfte nachließen und meine Finger nicht mehr…
Warum mache ich mir solche dummen Gedanken? Was tut sich da in meinem Gehirn? Halt… halt… halt. Denk lieber an eine weitere Sprosse.
Der gesamte Rand des Tanks war mit Teer eingeschmiert. Irgend jemand mußte mal hier hochgeklettert sein, nicht nur, um einfach hier hochzuklettern, sondern er ist hochgeklettert mit einem Eimer Teer in der einen und einem Pinsel in der anderen Hand, und dann hat er den ganzen Rand mit Teer beschmiert, damit er nicht verrottet. Ob er dabei Angst gehabt hat? Er war schon vor mir hier gewesen, und er hat bestimmt keine Angst gehabt, weil er ja nur an das Teeren dachte… Bestimmt hat er sich noch auf den Rand des Tanks gesetzt und von dort aus
gestrichen, und dort ist er dann so lange geblieben, bis sein Eimer voll Teer alle war, und dann ist er wieder heruntergestiegen, hat einen neuen Eimer geholt und ist wieder hochgestiegen und hat dann seine Arbeit beendet.
Wovor habe ich also Angst? Ich muß hier nichts anstreichen, ich muß hier überhaupt nichts tun, ich muß lediglich noch eine Sprosse höhersteigen, und dann muß ich über den Rand von diesem Tank… diesem Tank… diesem Tank blicken.
Die letzte Stufe, nach der ich griff, war ungefähr einen Fuß breit, ich zog mich hinauf, blickte über den Rand des Wassertanks zum Windrad hin, das jetzt auf Augenhöhe war.
Ich sah die Bolzen und Nieten, die vielen rötlichen Stellen mit Rost. Eine sanfte Brise kam auf und drehte das Rad ein wenig. Dann stoppte es und drehte sich langsam wieder zurück. Der Anblick des sich für kurze Zeit drehenden Rades machte alles nur noch schlimmer. Vielleicht sah jetzt jemand, wie das Rad sich drehte? Das Windrad war meilenweit zu erkennen, und wenn ich jetzt zögerlich auf der Leiter stand, war ich derjenige, den man auch meilenweit erkennen konnte.
Wenn mich irgend jemand jetzt in dieser krummen Haltung sehen konnte? Bitte nicht. Oder jemand würde jetzt meinen Namen rufen, und ich wäre überhaupt nicht in der Lage, ihm zu antworten. Oder wenn ich doch antwortete, wäre ich dermaßen abgelenkt, daß ich die Leiter hinunterfiele. Bitte, Bobby, bitte Roy, kommt nicht hierher und seht mich in meinem Elend.
Ich starrte auf den Rand des Tankes, dann schob ich meinen Kopf einen Zoll und einen weiteren qualvollen Zoll hinauf, noch ein bißchen höher, und dann blickte ich endlich über den Rand. Auf der Innenseite des Tankes standen weiße Ziffern geschrieben, die niedrigen
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