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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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Halbmond und auch kein Kreuz.«
    Ich lachte. »Nein, Dickie, kein Kreuz. Ein Kreuz ohne Querbalken. Ich mag keine Balken.«
    »Ein Kreuz ohne Querbalken ist die Zahl Eins«, sagte er.
    »Du hast es erraten«, sagte ich. »Die Eins in der binären Arithmetik bedeutet ›Kein Nichts‹, sie bedeutet ›Ist‹ anstatt ›Ist nicht‹. Die Eins ist die Lebenszahl, egal, wie viele Träume es gibt.«
    »Ein Kreuz ohne Querbalken ist ein großes I.«
    »Es erinnert mich daran, daß dieser namenlose Pfad meine persönliche Art ist, zu denken. Ich empfehle sie niemandem, wenn ich nicht darum gebeten werde.«
    »Ein Kreuz ohne Querbalken ist ein kleines I.«
    »Es erinnert mich daran, daß es diese Prüfung gibt, die Frage, die mich am Ende jedes Traums erwartet: Wie hast du dieses Mal deine Liebe zum Ausdruck gebracht?«
    »Das ist es«, sagte er. »Das perfekte Symbol.«
    »Keine Symbole, keine Chance«, erwiderte ich. »Nicht in deinem Leben.«
    »Natürlich nicht in meinem Leben«, sagte er. »Es gibt nur ein Leben.«
    Mit dem Segelflugzeug in der Hand saß er einige wenige Zentimeter von meinem Knie entfernt im Gras. »Ich muß mich sehr bald entscheiden, Richard«, sagte er.
    »Wozu entscheiden?«
    Er sah mich erstaunt an, als ob ich es hätte wissen müssen, und akzeptierte dann,… daß es für mich keinen Grund gab, es zu wissen.
    »Ob ich fortgehe«, sagte er. »Ich schätze, ich brauche einen Rat.«
    Seine Stimme erinnerte mich vage an die meines Bruders, und darüber erschrak ich ein wenig.
    Dickie ist eine genauso reale und genauso irreale Seite des Lebens wie irgendein anderer Richard Bach, dachte ich, er kann ebensowenig sterben wie ich. Außerdem habe ich ihn gern, inzwischen vertrauen wir einander, wir sind jetzt Freunde, und es bleibt noch sehr viel zu sagen. Was bedeutete seine Bemerkung?«
    »Ich weiß nicht, ob es bei allen so ist«, sagte er. »Aber für dich und für mich ist es an der Zeit zu entscheiden, ob ich für dich hierbleibe oder ob ich wieder verschwinde. Ich und der Rest deiner Kindheit.«
    »Habe ich so wenig gelernt, daß du alles so rasch aufzunehmen vermochtest und nun verschwinden willst?«
    »Hat es keine Folgen, daß du mich fünfzig Jahre lang eingesperrt hast?« fragte er.
    Als ob er mir einen Stein an den Kopf geworfen hätte, zwinkerte ich vor Schreck, bis ich bemerkte, daß seine Worte nicht böse gemeint waren. Er stellte mir einfach eine Frage und erwog die möglichen Antworten.
    »Du hast recht«, sagte er. »Ich habe gar nichts gelernt. Aber ich habe dir ziemlich gut zugehört und weiß, was du
    für richtig hältst.« Er gab mir das kleine Segelflugzeug. »Ich danke dir, Richard.«
    Dickie ist nicht mein Bruder, dachte ich. Wie kann ich die gleichen Gefühle empfinden wie damals, als Bobby starb? »Du hast niemals erwähnt, daß du eine Entscheidung treffen oder mich verlassen willst«, sagte ich. »Du bist ein imaginäres Kind, ein imaginäres Ich, du existierst nicht real. Du kannst mich nicht verlassen!«
    »Du bist ein imaginärer Erwachsener«, entgegnete er. »Du erzählst mir, du seist eine meiner Zukunftsvarianten. Ich vertraue dir, ich glaube dir, ich denke, daß du wahrscheinlich recht hast. Aber wenn du mir jetzt plötzlich sagst, daß jeder ohne Körper, du selbst in diesem Augenblick mit eingeschlossen, nicht real ist, dann habe ich nicht ein einziges deiner Worte verstanden. Du möchtest von vorn anfangen und mich lehren, daß das real ist, was ich mit meinen Augen sehe? Ich bezweifle sehr, daß das stimmt, Richard, und ich bin kein Erwachsener.«
    Wenn wir irgend jemanden sympathisch finden und uns in dessen Gefühle hineinversetzen, empfinden wir Liebe — sei es für eine Puppe, ein Haustier oder ein Kind, dem wir in Gedanken begegnet sind. Ist das erst einmal geschehen, was kann dann die Liebe erschüttern?
    Ich entschuldigte mich bei ihm: »Es tut mir leid. Es war dumm, was ich gesagt habe. Wenn die Zeit gekommen ist, wo du gehen mußt, mußt du es tun. Ich benehme mich wie ein Kind.«
    Er blickte mich aufmerksam an, um sich zu vergewissern, daß ich nicht scherzte.
    »Da ich jetzt weiß, was du weißt, kann ich ein Leben beginnen, das sich so von deinem unterscheidet, daß du mich nicht erkennen wirst, wenn wir uns wieder begegnen. Das wird ein Spaß sein.«
    »Ja«, entgegnete ich. Dann folgte eine lange Pause. »Ich denke, es ist Zeit für dich aufzubrechen.«
    »Für dich auch«, sagte er. »Den größten Teil deines Lebens hast du versucht, deine

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