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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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möchten es erneut tun, wir möchten versuchen, die Sache wieder ins rechte Lot zu bringen und eine unüberlegte Tat zu korrigieren.
    Zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, bedauerte der Junge, der ich gewesen, den Mann, der ich bin. »Welche Folgen hat es für dich gehabt, daß du ein Buch geschrieben hast, das irgend jemand nicht verstand?«
    »Ich verspürte eine starke innere Spannung, Dickie, und verspüre sie immer noch. Ich möchte mit ihm sprechen, ich möchte, daß er mir seine Alternative sagt.«
    »Das ist nicht möglich. Er ist tot.«
    Wer weiß, dachte ich. Vielleicht wird er in der Lage sein, das nächste Buch zu lesen, sobald es fertig ist.

38
     
    Dickie ließ mich eine Weile allein. Er ging weg, ohne mir Aufwiedersehen zu sagen.
    Wann immer wir etwas Schreckliches erleben oder keinen Ausweg mehr sehen, ist es nett, wenn wir jemand sagen hören: »Es ist in Ordnung«, selbst wenn es unsere eigene Stimme ist, die wir vernehmen.
    Es ist in Ordnung ist eine kosmische Wahrheit, dachte ich und spürte, wie die Spannung von mir wich. Mein Selbstmörder, dem ich nicht begegnet bin, hat wie wir alle zu lernen, was gelernt werden muß. Wenn es hier nichts zu lernen gäbe, brauchten wir uns nicht die Mühe zu machen, hierher zu kommen.
    Ich blickte zum Gebirge hin, das in der Ferne aufragte. Die Luft war klar wie ein Diamant. Fliegt man, so existiert keine Entfernung. Wir können auf der Erde überall hinfliegen: zu einem fernen Dorf, zu schneebedeckten Bergen, zu einer Koralleninsel, zum Gipfel einer Wolke. An stürmischen Tagen können wir, wenn wir wollen, aufsteigen und die Sonne besuchen. Vertrau unseren Instrumenten, flieg trotz Nebel, Regen oder Wind immer höher, und bald werden wir die Wolkendecke durchbrechen.
    Es war Zeit, aufzuwachen und in einen anderen Traum hinüberzuwechseln, dachte ich.
    Als ich gerade diesen Wechsel vollziehen wollte, erblickte ich Dickie, der mühsam den Hang heraufkletterte, mit dem kleinen Segelflugzeug in der Hand.
    »Es ist wirklich geflogen, Richard! Ich habe es weit unten am Fuß des Berges gefunden! Du kannst wirklich Flugzeuge fliegen lassen! Wie machst du das?«
    »Übungssache«, erwiderte ich und tat bescheiden, um nicht zugeben zu müssen, daß ich Glück gehabt hatte.
    »Ist der Name ein Geheimnis?« fragte er und wußte, daß ich keine Ahnung hatte, nach welchem Namen er sich erkundigte.
    »Welcher Name?«
    »Der Name deiner Religion.«
    »Sie hat keinen Namen, Dickie, sie wird nie einen haben, und es ist keine Religion. Keine organisierte Religion jedenfalls. In der organisierten Religion befindet sich Gott in einem Spinnennetz, er ist die große Spinne im Mittelpunkt von tausend Doktrinen, Ritualen und vorgeschriebenen Anschauungen. Menschen sterben in diesem Netz. Bitte keine Organisation!«
    Er lächelte mich an. »Du hast eine namenlose, ungeordnete Religion? Du hast etwas, woran du glaubst. Du hast… was?«
    »Ich bin auf der Suche nach dem, was für mich wahr ist, und diese Suche ist noch nicht beendet. Was ich besitze, ist… eine experimentelle persönliche Philosophie, und sie wird nie einen Namen haben. Du weißt, warum.« Es war mir klar, daß er es nicht wußte, aber er verdiente es, höflich behandelt zu werden und raten zu dürfen, dachte ich.
    »Weil der Name ein Etikett ist,« sagte er, »und sobald ein Etikett da ist, verschwinden die Ideen, und was herauskommt, ist die Anbetung des Etiketts und die Bekämpfung des Etiketts, und anstatt nach Ideen zu leben, fangen die Menschen an, für Etiketten zu sterben, und schließlich denkt man: Was die Welt am wenigsten braucht, ist eine neue Religion.«
    Ich starrte ihn an. »Gut geraten.«
    »Hat sie ein Symbol, deine namenlose experimentelle persönliche Philosophie?«
    »Natürlich nicht. Ein Symbol ist genau so schlecht wie…«
    »Ich verstehe«, sagte er. »Aber würde es denn nicht einen Unterschied machen, wenn du einfach nur zum Spaß ein Symbol hättest, das deine Denkweise ausdrückt und dich daran erinnert, daß sie keinen Namen hat und nie einen haben wird? Und sicher ist es auch. Etwas, was nicht in Worte gekleidet werden kann, wird wahrscheinlich nicht zu einem Etikett werden.«
    »Eine originelle Idee«, sagte ich. »Was jedoch zählt, ist, wie ich mein Wissen jeden Tag und jede Minute nutze, um mich inmitten des Spiels zu erinnern.«
    Er ließ nicht locker und fragte weiter: »Welches Symbol würdest du wählen, wenn dir eins vorschwebte? Wahrscheinlich keinen Stern, keinen

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