Heimkehr zu den Dakota
widersteht er nicht. Ich kann mich an seine Spur hängen.«
»Denke aber nicht, daß du mich dabei wieder abhängen kannst! Und was wird Harry machen? Die beiden haben wir nun doch nicht auseinandergebracht. Darauf kam es aber an!«
»Warte ab. Ich sagte dir ja, mein Atem ist länger. Top ist von neuem mißtrauisch geworden. Er hat versucht, dem Harry nachzuschleichen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe ja meine Augen! Was Mackie sagte, hat sicherer gewirkt als unsere Waffen.«
»Du bist ein junger Kerl, Jim. Nicht mehr ganz so jung wie damals, als wir uns kennenlernten. Doch auf ein paar Sommer kommt’s bei dir noch nicht an. Ich aber bin zehn Jahre älter, ich will nicht mehr zu lange warten.«
»Wer Beute machen will, muß geduldig lauern; das ist die erste Jagdregel. Wenn du das nicht vermagst, steh gleich von allem ab.«
»Du wirst mich nicht mehr los!«
»Scheint so. Aber ich warne dich. Harry hat beobachtet, daß du es warst, der dem Mackie zuletzt was eingeflüstert hat.«
»Du meinst …?«
»Ja, ich meine, daß es anderwärts sicherer für dich wäre als gerade hier. Für Mackies Leben gebe ich auch keinen Cent mehr.«
»Und für deins?«
»Mich schützt Top, wenn ich nicht allzu große Dummheiten mache.«
»Schuft bist du.«
»Das kannst du nennen, wie du willst! Ich habe dich jedenfalls gewarnt. Schade, daß du den Zug verpaßt hast.«
»Ich habe ein Pferd.«
Während dieses Gespräch stattfand, war Harka noch einmal in sein Zelt zurückgekehrt, aber nur, um sich seine Büffelhautdecke zu holen. Er schnallte sie dem Grauschimmel um, ritt in die Prärie hinaus und suchte an diesem Tage mit seinem Mustang zusammen einen Schlafplatz im Freien. Er konnte das verstümmelte Gesicht der Seminolenfrau, ihren wieder stumm gewordenen Haß und die Lippen mit den wieder verstummten Fragen nicht sehen, und er wollte seinem Vater an diesem Tage nicht mehr begegnen.
So schlief er mit seinem Mustang draußen in Staub und Gras, holte sich abends im Zelt ein Stück Fleisch zu essen und begab sich dann wieder zu dem Spähdienst, zu dem er sich verpflichtet hatte.
Union Pacific
Es war Frühling. Seit dem Tage, an dem Joe mit dem Materialzug ostwärts fuhr, waren einundeinhalbes Jahr vergangen. Seit einem Jahr war die erste Überlandbahn vollendet, und die Züge fuhren von Chicago bis San Francisco.
Ein Zug befand sich auf der Strecke im einsamen grasbewachsenen Hochland des Westens. Die Lokomotive dampfte, die Räder rollten. Der Heizer, schwarz berußt, hockte neben dem Lokomotivführer, der die Strecke beobachtete und die Steuerhebel stellte. Das Geräusch der rollenden Räder wurde durch die Schwellen und durch die Nahtstellen der Gleise rhythmisch eingeteilt.
An einem Fenster des Personenwaggons, mit dem Blick nach Norden, saß ein schweigsamer Fahrgast. Seine Haare waren weich, silbergrau, ziemlich lang gehalten. Ihr schöner Glanz fiel auf. Das Gesicht war schmal, die Stirn wohlgebildet. Obgleich die Haut leicht gebräunt war, hatte sie einen durchsichtigen Schimmer, wie körperliche Leiden ihn erzeugen. Die blauen Augen hatten sich seit Stunden keinem der Mitreisenden zugewandt, sondern blickten unverwandt hinaus in die weite Landschaft. Manchmal rührte sich die rechte Hand, als ob sie einen Umriß beschreiben wolle. Es war eine Hand mit schlanken Fingern, aber dies war nicht das bemerkenswerteste daran; es war eine Hand mit einer Ausdrucksfähigkeit, wie sie sonst nur das Gesicht eines nachdenkenden Menschen hat. Der Reisende war in Leder gekleidet, in ein sehr feines, weiches und teures Leder, aber der Anzug wirkte doch so, als ob sein Besitzer vorhabe, demnächst den Zug als Beförderungsmittel aufzugeben und ein Pferd zu besteigen. Zu der Zartheit, vielleicht sogar Kränklichkeit des Körpers bildeten eine solche Kleidung und die Möglichkeit eines solchen Vorhabens einen eigentümlichen Kontrast, der schon lange das Interesse der Mitreisenden erregte.
Die Plätze in der Nachbarschaft dieses schweigsamen Passagiers nahmen eine Familie von drei Personen und außerdem zwei Herren ein, von denen der eine vielleicht zehn oder fünfzehn Jahre älter war als der andere. Trotz des tagelangen Beisammenseins war noch keine allgemeine Unterhaltung zustande gekommen, und das lag nach Auffassung der dreiköpfigen Familie an zwei Personen außerhalb ihres Kreises, eben an jenem grauhaarigen Fahrgast und zum zweiten an dem älteren der beiden Herren. Dieser Gegenüber war stämmig;
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