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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gekämpft.«
    »Ich weiß.« Auch Harka formte an seinen Worten. »Sieben Sommer und Winter habt ihr gekämpft. Für jeden eurer Krieger, der den Tod fand, starben hundert weiße Männer.«
    »Nicht besiegt. Unser Häuptling verraten und gefangen.«
    »Euer Häuptling Osceola. Er starb als Gefangener der weißen Männer.«
    »Ja. Er ist tot, der Vater meines Vaters. Aber die tapfersten meiner Väter leben und kämpfen seit vierunddreißig Sommern und heute noch immer in den Sümpfen von Florida.« Die Frau, die vielleicht ein Mädchen war, stand auf. Eckig standen ihre Schultern unter der schwarzen Kattunbluse. Sie war groß und sehr mager, wie ein halb verhungertes herangewachsenes Kind oder eine verhärmte Mutter, wer wußte es? Ihr verstümmeltes Gesicht verzog sich in einem verzweifelten Haß. »Aber du, Harka Steinhart Wolfstöter, du kämpfst für die weißen Männer ­ für die Betrüger ­ die Mörder ­ die blutgierigen Kojoten!«
    Harka stand auf. »Geh und hole Wasser!« sagte er.
    Als die Seminolin in das Zelt zurückkam, fand sie Harka nicht mehr dort vor. Ihre Augen erloschen wieder, und ihre Lippen preßten sich von neuem fest zusammen. Sie wartete still und stumm. Stundenlang wartete sie. Dann stand sie plötzlich auf, zog die Decke unter dem Körper von Mattotaupa weg und goß ihm zwei Kübel kalten Brunnenwassers über den Kopf, in die Augen, in Mund und Nase.
    Top schüttelte sich. Er hob die Augenlider, betrachtete die Seminolin erstaunt, sah sich einen Augenblick um, als ob er nicht wisse, wo er sich befinde, sprang aber auch schon auf und rannte an den Bach, um sich zu baden.
    Während er den ganzen Körper in das kalte Wasser legte, versuchte er sich zu erinnern, was in der Nacht geschehen war. Sein Gedächtnis wiederholte ihm die Ereignisse, und als er endlich vor sich selbst nicht mehr glauben konnte, daß er geträumt habe, ging er zum Zelt zurück.
    Er legte seinen Festrock an und begab sich zu dem Platz, an dem der Zug hielt. Es ging schon gegen Mittag. Lärm und Leben herrschten wieder im ganzen Lager. Alle, die sich über Mittag frei machen konnten, strömten zu dem Gleis, um die Abfahrt des Zuges und den Abschied Joe Browns und Henrys zu erleben.
    Mattotaupa schaute nicht nach diesem oder jenem aus. Er wollte sich aber allen zeigen, einem jeden, wer es auch war. Er war sich bewußt, daß er zwei schwere Niederlagen erlitten hatte, eine gegenüber seinen eigenen Entschlüssen und Vorsätzen, sich nicht wieder zu betrinken, und die andere gegenüber dem Sohne. Er wollte aber den Kampf nicht aufgeben. Er wollte Achtung für sich verlangen und erzwingen, mit allen Mitteln, auf Biegen oder Brechen.
    Seine hohe Gestalt blieb nicht unbemerkt. Joe, umgeben von einem Kreis Abschiednehmender, erspähte ihn und winkte ihn herbei. Mit gemessenen Schritten ging der Indianer auf den Ingenieur zu, der Kreis gab eine Gasse frei, und Top begrüßte Joe in der eigentümlich zurückhaltend-würdevollen Art, die ihm noch immer anhaftete, wenn er nüchtern war.
    »Hab gehört, du bist auf elende Weise bestohlen worden, Top?«
    Joe musterte das graue Gesicht des Indianers mit der Teilnahme eines Mannes, der solche Erlebnisse kannte.
    »Nein. Ich habe einige Münzen verschenkt«, log der Indianer in stolzer Haltung. »Den weißen Männern erschien es vielleicht etwas viel. Aber das hat nichts zu sagen.«
    »Bill und der Zigeuner haben sich gegenseitig beinahe umgebracht. Bill liegt auf seinen Decken und stöhnt, gepflegt von der langen Lilly. Der Zigeuner arbeitet wieder bei den Ballen und Kisten. Er darf nicht mehr aufspielen. Alles in allem aber doch noch ein glimpfliches Ende!«
    Der Lokomotivführer ließ seine Maschine ungeduldig pfeifen. Er erhielt das Abfahrtszeichen. Joe kletterte in den Güterwagen, in dem Henry sich schon eingerichtet hatte.
    Die Räder begannen ostwärts zu rollen. In der staubigen Luft war der Zug bald nicht mehr zu sehen.
    Abseits der Menge, die sich zu der Abfahrt eingefunden hatte, standen Red Jim und Charlemagne.
    »Alles in allem«, zog Charles die Bilanz, »haben wir uns gründlich blamiert, und der Vogel, den wir fangen wollten, ist uns entronnen.«
    »Er ist schnell, aber ich habe den längeren Atem.« Jim tat einen Lungenzug und fügte hinzu: »Siehst du nicht den alten Top dort allein? Sein Geld ist er los. Ich will wetten, daß er es sich für Nuggets eingetauscht hatte. Nun muß er sich wieder Gold holen, wenn er weiter den großen Herrn spielen will. Der Versuchung

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