Heimlich Fee 1: Wie eine Freundin in mein Leben purzelte (German Edition)
Herz, „so eine Freundin wie dich hatte ich auch in der Menschenwelt. Aber sie ist weggezogen.“
Nelly strahlte mich an. „Aber das weiß ich doch. Ich habe deine Morsezeichen gesehen. Samstagnacht. Habe ich nicht schon erwähnt, dass wir Feen Wünsche erfüllen?“
Da fiel mir die Nachricht wieder ein, die ich an Mama gemorst hatte: Ich wünschte, ich hätte wieder eine Freundin wie Emma. Hier war sie also!
Ich umarmte Nelly lang und fest. Dann fragte ich, was ich schon die ganze Zeit wissen wollte: „Sag mal, warum nennen die dich denn dauernd Spitzohr?“
Nelly seufzte und setzte sich auf. Nun sah sie überhaupt nicht mehr fröhlich aus. Sie machte den Mund auf, um zu antworten. Dann schloss sie ihn wieder und wischte sich stattdessen die Haare zur Seite. Zum Vorschein kamen die ungewöhnlichsten Ohren, die ich je gesehen habe.
„Heiliger Spekulatius!“, platzte es aus mir heraus. Ich gebe zu, ich starrte die Ohren mit offenem Mund an. Unten hatten sie ganz normale Ohrläppchen, aber auf der Oberseite liefen sie spitz zu. Erst nach mehreren Sekunden fiel mir auf, wie unhöflich ich mich gerade benahm.
„Wo hast du die denn her?“, fragte ich – so ziemlich die bescheuertste Frage, die man über Ohren stellen kann. Doch Nelly antwortete trotzdem.
„Ich bin nur eine halbe Fee. Mein Vater war ein Elf. Und von ihm habe ich die spitzen Ohren geerbt.“
„Bei mir sagen alle, ich hätte die gleiche Nase wie meine Oma“, versuchte ich Nelly zu trösten. „Das finde ich toll, denn ich liebe meine Oma. Und deine Ohren sind etwas ganz Besonderes.“
Nelly strahlte. Jetzt hatte ich ausnahmsweise mal das Richtige gesagt. „Findest du?“
„Ja! Du magst deinen Vater doch sicher auch, oder?“
Nelly zuckte mit den Schultern. „Ich kenne ihn gar nicht. Meine Mutter will mir nicht verraten, wer er ist. Bei uns gewohnt hat er jedenfalls noch nie.“ Geknickt senkte sie den Kopf.
Ich legte den Arm um sie. „Freu dich doch einfach, dass dich immer etwas an deinen Vater erinnert – das macht dich sehr geheimnisvoll.“
Nelly wollte etwas antworten, aber da ertönte eine helle Glocke. Mit einem Satz war sie vom Bett runter. „Wir müssen los, der Unterricht geht weiter!“
Wie früher mit Emma, machten wir einen Wettlauf bis in die Eingangshalle.
Auf der untersten Stufe der Treppe stand Mia, die sich ein Zöpfchen flocht. Hinter ihr mühten sich drei größere Feenjungen mit einem riesigen Schrankkoffer ab.
„Der ist für euch doch kein Problem, oder?“, säuselte Mia. „Ich habe ja wirklich nur das Allernötigste eingepackt. – Bringt ihn einfach in mein Zimmer, ich muss zum Unterricht.“
Die Feenjungen stöhnten. Der Koffer musste mehrere Tonnen wiegen.
„Nach dir, Spitzohr!“, zischte Mia, als sich Nelly an ihr vorbeidrängte.
„Lass dir mal was Neues einfallen!“, motzte ich Mia an. Ohne ihre Reaktion abzuwarten, öffnete ich das große Eingangstor. Dann war ich erst mal sprachlos.
Direkt vor dem Gebäude begann eine Wiese, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Schmetterlinge in allen Formen und Farben flatterten über das Gras. Bienen summten. Die Äste der Bäume bogen sich mit roten Äpfeln.
Weiter hinten lag ein verwunschener Märchenwald. Uralte Laubbäume reckten sich hoch in den Himmel. Ihre Kronen kitzelten beinahe die Wolken. Eichhörnchen sprangen von Ast zu Ast. Ohne Anzeichen von Furcht stapfte ein Dachs zwischen den Feen umher.
Aus dem Unterholz plätscherte ein Bach hervor. Ein Stück abseits staute er sich zu einem kleinen Teich, der von einer Mauer umgeben war. In die Mauer waren unzählige Edelsteine eingelassen. Das Sonnenlicht ließ sie in allen Farben des Regenbogens schimmern.
An der Mauer stand Fortunea Tautropf und sah zu uns herüber. Als ich mich endlich wieder unter Kontrolle hatte, rannte ich Nelly hinterher.
Fast alle Feenmädchen der ersten Klasse hatten sich an der Edelsteinmauer versammelt. Nur Freia und Valentina fehlten noch.
Fortunea Tautropf sah zum Schulgebäude hinüber. Über dem Tor war eine große Sonnenuhr angebracht. Sie zeigte kurz vor zwei Uhr an.
Da ich ja wusste, wie ernst Frau Tautropf es mit den Regeln nahm, wurde ich selbst ganz kribbelig. Endlich öffnete sich das Tor. Heraus trat Bofar Eisenbart, der Zwerg. Unwillkürlich versteckte ich mich hinter Nelly, aber er sah gar nicht zu uns hinüber. Mit mürrischem Gesichtsausdruck wackelte er aus der Schule. Hinter ihm flogen die Feen der dritten Klasse.
Am Schluss der Reihe
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