Heimlich Fee 4: Wie ein Zauber alles auf den Kopf stellte (German Edition)
Problem. Durch das ständige Abhören brannten sich zwar Mia, Kimi und mir die Zusammensetzungen der Säfte, Salben und Tränke geradezu ins Gehirn ein. Bei Nelly allerdings zeigte das Üben nicht die geringste Wirkung. Im Gegenteil, sie brachte nun noch mehr durcheinander als vorher. Irgendwann kurz vorm Abendessen nahm sie Mias Buch und warf es mit voller Wucht gegen die Wand.
Mia sah sie entsetzt an.
„Es hat keinen Zweck!“, schluchzte Nelly. „Ich kann das einfach nicht. Das sind für mich bloß Worte und Zahlen, die sich im Kopf hin und her drehen. Mir liegt es eben mehr, Dinge in die Hand zu nehmen! Dann lerne ich von ganz alleine.“
Ich wollte jetzt nicht mehr die Lehrerin spielen, sondern nur noch meine beste Freundin an mich drücken. Und das tat ich auch.
Mia und Kimi strichen Nelly tröstend über den Kopf. Wir wussten ja um ihre Qualitäten. Sie ist ein toller Kumpel, eine super Sängerin und eine prima Witzeerzählerin. Außerdem ist sie ein großartiger Mensch. Äh, ich meine natürlich eine großartige Fee . Ihr versteht schon. Aber das interessiert bei einer Prüfung ja niemanden.
„Lass uns etwas essen gehen“, schlug Kimi vor. „Es gibt Schokopudding zum Nachtisch.“
Erst jetzt merkte ich, wie sehr mein Magen knurrte. Ich hatte ja seit mehreren Stunden nichts mehr nachgeschoben. Und Nelly musste es genauso gehen.
„Ich komme gleich nach, grunz!“, sagte sie und blickte leicht beschämt zu Boden. „Muss nur mal kurz für kleine Feen …“
Kimi, Mia und ich gingen also schon mal die Treppe hinunter. Wir schlenderten durch den Gang und an den Klassenzimmern vorbei, bis wir die Tür zum Speisesaal erreichten.
Kimi reservierte uns den besten Tisch (gleich neben den Jungs, hihi) und Mia und ich kümmerten uns um Teller und Besteck.
Als wir alles geholt hatten, war Nelly immer noch nicht da. Unser Essen schickte Dampf Richtung Decke. Dann nur noch zwei Handbreit hoch – und schließlich gar nichts mehr.
Mir schlug das Herz bis zum Hals. Verflixte Nixe, ich sah das Unheil geradezu kommen.
„Ausschwärmen!“, kommandierte ich. „Wir müssen Nelly finden, bevor sie noch eine sehr dumme Dummheit begeht!“
Wie ein Bienenvolk bei Gewitter stoben wir auseinander, bloß summten wir nicht. Kimi nahm sich das Untergeschoss vor. Mia durchkämmte den Park und ich stürmte die Treppe hinauf.
„Mogatta sesamee!“ , rief ich vor jeder Tür. Nacheinander sprangen alle auf – doch in den Zimmern dahinter war niemand.
Der Waschraum war leer, die Becken trocken. Nelly wäscht sich, wenn sie auf dem Klo war, immer die Hände. Sie war also gar nicht hier drin gewesen.
Deshalb hatte sie so beschämt gewirkt! Sie hatte uns nicht die Wahrheit gesagt. Hätte ich wütend sein sollen, weil sie mich angelogen hatte? Meine beste Freundin?
Vielleicht, aber ich war einfach nur besorgt. Ich konnte ihre Not ja verstehen. Sie wollte weder ihre Mutter noch ihre Lehrerin oder uns enttäuschen. Und sie wollte am Donnerstag mit ihrem großen Vorbild auf der Bühne stehen. Dazwischen lagen eben die Prüfung und jede Menge Grunzer.
Zehn Minuten später trafen wir uns vor dem Schulgebäude. Kimi und Mia schüttelten betrübt die Köpfe.
Es gab keinen Zweifel mehr. Nelly war abgehauen, um sich zurückzuzaubern. Mit dem Rezeptbuch von Rosamunde Silberträne.
Habt ihr schon einmal abends um sieben Uhr eure Lehrerin zu Hause besucht? Und das nicht, weil sie Geburtstag hat oder etwa Hochzeitstag. Sondern weil ihr unauffällig herauskriegen wolltet, ob eure beste Freundin dort gerade ein Buch stiehlt?
Nein? Na, bitte! Ich auch nicht. Aber trotzdem könnt ihr euch sicher vorstellen, wie Kimi, Mia und ich uns fühlten.
Für Feen gibt es nichts Wertvolleres als ihre Zauberkunst. Damit können sie Schmerzen und grauenhafte Kreaturen vertreiben. Deshalb sind ihre Zauberbücher auch unsagbar viel wert. Sie hüten sie wie ihren Augapfel. Eigentlich käme auch keine Fee auf die Idee, einer anderen ein Buch zu klauen – und sei es nur für eine Viertelstunde.
Bei Nelly war das anders. Das zeigt doch wohl deutlich genug, wie verzweifelt sie war. Und wir waren verzweifelt, weil wir es verhindern mussten.
Rosamunde Silberträne wohnt in einem schrägen Haus, das mitten in eine Felsspalte hineingebaut ist.
Kimi kannte den Weg. Wir überquerten die Wiese und liefen lange am Waldrand entlang. Im Wald gibt es Muffeltrolle, wie man weiß. Also vermieden wir es hineinzugehen. Das ist nur natürlich, wenn einem sein
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