Heimlich Fee 4: Wie ein Zauber alles auf den Kopf stellte (German Edition)
Leben lieb ist.
Nach einem guten Kilometer führte ein schmaler Pfad auf einen gewaltigen Felsen zu. Die Hälfte davon lag im Schatten, die andere funkelte in der Abendsonne. Erst als wir ganz dicht davorstanden, entdeckte ich den Eingang zu Rosamundes Haus.
„Da wären wir also“, flüsterte ich. Ja, da waren wir. Aber weiter war unser Plan leider nicht ausgearbeitet. Eigentlich hatten wir überhaupt keinen. Sollten wir jetzt klopfen und uns nach Nelly umsehen? Sollten wir die Umgebung absuchen? Uns auf die Lauer legen? Nelly abfangen und das Buch zurückgeben, ehe sie Bockmist verzapfte?
Rosamunde Silberträne nahm uns die Entscheidung ab. Ich weiß nicht, ob sie das Knacken hörte, als ich auf einen dürren Ast latschte. Oder ob sie einfach unsere Gegenwart spürte. Jedenfalls schwang die Tür auf und unsere Lehrerin blickte uns leicht verwundert durch ihre Brille hindurch an.
„Was wollt ihr denn hier?“, fragte sie erstaunt.
Ich merkte, wie mir das Blut in den Kopf stieg. Die Wahrheit konnte ich ihr ja schlecht sagen. Und eine Ausrede hatte ich mir nicht überlegt.
„Es … es ist wegen der Prüfung morgen“, stammelte Mia. „Mir ist da ein Rezept noch nicht ganz klar …“
Nicht ganz klar! Ausgerechnet unsere Klassenbeste brachte so eine dreiste Lüge hervor.
Aber es wirkte: Rosamunde Silberträne trat einen Schritt zurück und bat uns herein.
Wir folgten ihr mit offenen Mündern. Das Haus unserer Lehrerin war vollgestopft mit Büchern. Bereits im Flur standen sie Rücken neben Rücken in den Regalen. Solche Bücher bekam man in keiner Menschenbuchhandlung. Diese hier waren alt und schwer. Sie hatten dicke Ledereinbände mit goldenen Buchstaben darauf. Bestimmt waren dort die größten Geheimnisse der Welten niedergeschrieben.
„Kimi? Mia? Amanda?“, rief unsere Lehrerin. Sie stand schon in dem Raum, der am Kopfende des Flurs lag.
Wie aus einem Traum aufgeschreckt, tapsten wir drei zu ihr. Das Zimmer war urgemütlich und es passte zu Rosamunde wie die Sterne zum Nachthimmel: ein Sofa, ein Ohrensessel, ein prasselndes Feuer. Aber von Nelly fehlte jede Spur.
Rosamunde zauberte drei Tonbecher herbei und goss uns aus einem Krug Wasser ein. Es war klirrend kalt und schmeckte leicht nach Minze.
„Nun?“, wollte sie wissen, nachdem wir ausgetrunken hatten. „Was ist deine Frage, Mia?“
Mia wurde rot. „Was? Ach so, meine Frage. Ja, ich, ähm, ich möchte wissen …“
„Sie möchte wissen, ob es dreizehn Gramm Lilienblütenstaub sind oder einunddreißig Gramm“, kam ich Mia zu Hilfe.
Rosamunde sah mich irritiert an. „Bei welchem Rezept?“
Verflixte Nixe! War das schwer. Nebenbei musste ich ja nach Hinweisen auf Nellys Einbruch suchen.
„Wenn man einen Schmetterling in einen Vogel verwandeln möchte“, platzte Kimi heraus.
Wir hofften, Rosamunde würde nun zu ihrem Zauberbuch gehen und nachsehen. Aber natürlich kannte sie die Rezepte auswendig.
„Dreizehn Gramm“, sagte sie knapp. „Und jetzt muss ich euch bitten, zum Internat zurückzugehen. Es wird langsam dunkel und ihr habt noch einen langen Weg vor euch.“
Wir traten auf der Stelle. War das Buch noch da? Oder hatte Nelly es schon gemopst?
„Siehst du!“, rief ich aufgedreht. „Das habe ich doch gleich gesagt, aber du wolltest mir ja nicht glauben!“
Kimi verzog erschrocken das Gesicht. Dann kapierte sie es endlich.
„Nein, ich bin mir immer noch völlig sicher, dass Frau Silberträne einunddreißig Gramm gesagt hat“, schimpfte Kimi zurück. „So habe ich es mir aufgeschrieben und ich irre mich nie!“ Kimi stieß Mia mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Entschuldigung, Frau Silberträne“, druckste Mia herum. „Aber ich habe mir auch einunddreißig Gramm aufgeschrieben. Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns die Stelle in Ihrem Zauberbuch zu zeigen?“
Jede Tomate wäre in diesem Augenblick neidisch auf Mias Gesichtsfarbe gewesen.
„Ihr habt mein Wort“, antwortete unsere Lehrerin. Sie wirkte nicht besonders begeistert über den Vorwurf.
„Bitte!“, flehten wir drei wie aus einem Munde.
Rosamunde seufzte. Dann ging sie zu dem Regal im Flur und zog das Zauberbuch hervor. Es war also noch da. Im Gegensatz zu Nelly.
Wo steckte unsere Freundin? Bis zum Einbruch der Nacht blieb wenig Zeit, das herauszufinden.
„Danke, wir glauben Ihnen doch!“, rief ich unserer Lehrerin zu.
Da waren wir schon halb draußen. Jede Sekunde war kostbar. Das versteht ihr, oder?
Also ließen wir Rosamunde völlig
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