Heimlich
Ich drehte mich auf meinem Sitz um, um ihm noch eine zu verpassen, aber Wacky hielt meinen Arm zurück. »Oooh«, sagte er zu dem Biest, »oooh, oooh!« Und der Hund war ruhig.
Ich führte den Hund durch den Hintereingang in den Umkleideraum. Wacky lief rasch zu der Würstchenbude neben Sears und kam mit sechs Cheeseburgern zurück. Ich tätschelte den Hund gerade vor meinem Spind, als Wacky zurückkam und den schmierigen Fraß vor mir auf den Boden fallen ließ. Der Hund grub seine Zähne rein, und Wacky und ich schlössen die Tür ab und gingen wieder auf Streife. So begann die Odyssee von Night Train, wie der Hund heißen sollte.
Als wir in jener Nacht von unserer Tour zurückkehrten, hörten wir vom Umkleideraum her Reuben Ramos’ Saxophon heulen. Reuben ist ein Motorrad-Polizist, der durch die Arbeit beim Sittendezernat auf der 77th Avenue zu seiner Liebe zum Jazz gefunden hatte. Da filzte er regelmäßig die Bebop-Kneipen auf der Central Avenue, auf der Suche nach Nutten, Buchmachern und Drogensüchtigen. Er brachte sich das Saxophonspielen selbst nach Gehör bei - hauptsächlich Heulen und schräge Töne, aber manchmal fährt er auf eine einfache Melodie wie »Green Dolphin Street« ab. Heute abend heizte er richtig ein - das Leitthema von »Night Train« immer und immer wieder.
Als Wacky und ich den Umkleideraum betraten, trauten wir unseren Augen nicht. Reuben hatte kurze Jockey-Hosen an, verrenkte sich fürchterlich und stieß dabei die wilden ersten Noten von »Night Train« aus, während der dicke schwarze Labrador sich rücklings auf dem Betonboden wälzte, jaulte und einen gewaltigen Urinstrahl hoch in die Luft schoß. Scharen von Polizisten kamen rein und gingen angeekelt gleich wieder hinaus. Reuben war die Sache müde und ging nach Hause zu Frau und Kindern. Übrig blieb Wacky, der irgendwas von dem »Genius« des Hundes herumbrüllte.
Wacky gab dem Hund den Namen »Night Train« und nahm ihn mit zu sich nach Hause. Wochenlang spielte er dem Hund Platten mit Saxophonmusik vor und fütterte ihn mit Steaks, alles in der fruchtlosen Hoffnung, aus ihm einen Caddy zu machen. Schließlich gab Wacky auf, stellte fest, daß Night Train ein Freigeist war, und ließ ihn laufen. Wir dachten, das wäre das letzte gewesen, was wir von dem Viech sahen - aber wir irrten. Er sollte in der Geschichte des Los Angeles Police Department einen legendären Status erhalten.
Zwei Tage nach seiner Freilassung erschien Night Train wieder auf der Wilshire-Wache mit einer toten Katze in seinen Fängen. Der Wachhabende jagte ihn raus und warf die Katze in einen Abfalleimer. Am nächsten Tag erschien Night Train mit einer weiteren toten Katze. Dieses Mal wurde er - mit der Katze im Maul - wieder hinausgejagt. An diesem Tag kehrte er mit derselben Katze wieder, die noch etwas mitgenommener aussah. Er kam rechtzeitig zurück, denn Wacky und ich hatten gerade Dienstschluß. Als Night Train Wacky sah, ließ er vor lauter Freude die bös zugerichtete Katze, seine Liebesgabe, fallen, lief in Wackys ausgestreckte Arme und pißte ihm über die ganze Uniform. Wacky trug Night Train in mein Auto und schloß ihn ein. Und Wacky war sauer auf Lieutenant Beckworth. Beckworth hätte ihm zwei Kisten Cutty Sark mit 75 Prozent Nachlaß aus einem Hehlernest mitbringen sollen, aber er hatte sein Versprechen nicht gehalten.
Wacky wollte sich rächen, also holte er sich die zerfetzte, tote Katze und brachte mit einer Stecknadel einen Zettel an ihrem Fell an. Auf dem Zettel stand: »Das ist die einzige Muschi, die du je kriegen wirst, du schäbiger Schwanzlutscher!« Dann legte er die Katze dem Lieutenant auf den Schreibtisch.
Beckworth fand sie am nächsten Morgen und drehte durch. Er ließ einen richtigen Steckbrief für den Hund anschlagen. Er mußte nicht weit suchen. Night Train wurde da entdeckt, wohin er in der Nacht zuvor gebracht worden war - auf dem Rücksitz meines Wagens. Mit mir konnte Beckworth sich nicht anlegen, weil er wußte, daß ich seine Golfstunden abbrechen könnte, aber Night Train konnte er todsicher in die Scheiße tauchen. Er ließ den Hund verhaften und in die Ausnüchterungszelle bringen. Das war genau das Falsche. Night Train griff drei Penner an und brachte sie beinahe um. Als der Wärter von ihren Schreien aufgeschreckt wurde und reinstürmte, um die Zellentür zu öffnen, rannte Night Train an ihm vorbei durch die Tür des Wilshire-Reviers, über den Pico Boulevard bis nach Hause in Wackys Wohnung. Dort lebten
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