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Heimstrasse 52

Heimstrasse 52

Titel: Heimstrasse 52 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Oezdogan
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vom Gas. Er hatte pechschwarze Haare, die vor Brillantine glänzten, und buschige Augenbrauen. Nachdem er das Fenster runtergekurbelt hatte, fragte er:
    – Wohin des Wegs?
    – In die Stadt, sagte Timur.
    – Ich kann euch mitnehmen, steigt ein, sagte der Mann. Fatma hatte noch nie in ihrem Leben in einem Auto gesessen. Niemand in ihrer Stadt besaß in jenen Tagen ein Auto. Sie war schon mal in einem Lastwagen mitgefahren, im Führerhaus oder hinten auf der offenen Ladefläche, aber noch nie in einem Auto. Einen kurzen Moment fühlte sie sich eingesperrt, nachdem sie sich auf die Rückbank gesetzt und Timur die Beifahrertür zugezogen hatte.
    Die Hände des Fahrers sahen nicht aus, als müßte er mit ihnen arbeiten, doch er hatte eine kräftige Statur, zu der |299| sein dünner, gestutzter Schnurrbart nicht so recht passen wollte.
    Als sie einen kleinen Hügel hochfuhren, wurde der Wagen langsamer, und plötzlich machte er einen Satz nach vorne und blieb stehen.
    – Verdammt, sagte der Fahrer und wandte sich an Timur: Bruder, du bist ein kräftiger Mann, wie ich sehen kann. Wenn du vielleicht aussteigen möchtest und das Auto das letzte Stück der Steigung hochschieben. Sobald es wieder bergab geht, springt es sicherlich an.
    Der Schmied nickte, lächelte, in seinen blauen Augen waren Tatendrang und Stolz, er stieg aus und stemmte sich gegen den Wagen. Es war einfacher, als er gedacht hatte, und als es wieder bergab ging, war er noch nicht mal ins Schwitzen gekommen. Das Auto rollte, sprang an, und der Mann gab Gas.
    Er will, daß der Motor warm wird, dachte Timur im ersten Moment, ehe er begriff, daß der Mann einfach wegfuhr. Ihm wurde heiß, und er fing an zu laufen, dem Wagen hinterher. Er würde den Mann töten, er würde ihn töten, selbst wenn er ihn heute nicht zu fassen bekam, er würde ihn umbringen, wenn er seinen Mutwillen mit Fatma trieb.
    Timur bekommt nicht mit, daß der Wagen hält und Fatma aussteigt, er ist einfach nur gelaufen, ohne etwas wahrzunehmen, und nun sieht er sie am Straßenrand stehen. Doch er läuft nicht langsamer, er rennt, bis er vor ihr steht. Das Auto ist schon nicht mehr zu sehen.
    – Was, fragt Timur, was ist passiert?
    – Mach meinen Mann nicht zum Mörder, habe ich ihm gesagt, halt an, mach meinen Mann nicht zum Mörder. Halt an, und laß mich raus, und dann verpiß dich, so schnell du kannst. Er wird dich finden und töten, habe ich gesagt, er ist ein Mann von Ehre. Ich habe ihm von hinten meinen Arm um die Kehle gelegt und gesagt: Mach meinen Mann nicht zum Mörder.
    |300| Timur ist dankbar, er ist dankbar, und er glaubt, daß das Leben immer größer und schöner werden wird, solange Fatma an seiner Seite ist. Gestern noch war er ein kleiner Junge, und heute ist er mit ihr verheiratet und glaubt, daß sie alle Gefahren gemeinsam meistern werden.
     
    Timur kaufte eine weitere Kuh, er bestellte die Beete, hämmerte in der Schmiede, abends nahm er seine Tochter auf den Arm und koste sie. Fatma freundete sich mit den Nachbarn an, sie molk die Kühe im Morgengrauen und dann noch mal am Abend, wenn sie von der Weide zurückkamen. Wenn sie mit Gül allein war, redete sie viel mit ihrer Tochter, erzählte ihr, was sie gerade tat und an wen sie dachte, erzählte, daß sie selber keine Mutter gehabt hatte, daß ihre Adoptivmutter sich gut um sie gekümmert hatte, aber vielleicht nur, weil sie das Mädchen war, das sie sich gewünscht und nie bekommen hatte. Mit ihren drei Brüdern hatte Fatma sich nicht gut verstanden, die hatten sie geärgert und gequält, einmal hatten sie sie gezwungen, einen verfaulten Apfel zu essen, ein anderes Mal hatten sie ihre Kleider versteckt, als sie im Fluß badete, doch das alles war lange her, jetzt hatte sie Timur, und sie hatte Gül, und wenn Gott es wollte, würde sie noch mehr Kinder bekommen.
     
    So verbrachten sie den Sommer, und als der Herbst fast schon vorbei war, zogen sie wieder auf das Dorf, weil es zu kalt wurde in den kleinen Sommerhäusern ohne Ofen, weil es nicht mehr viel zu tun gab, nachdem die Äpfel geerntet waren, weil auch die Nachbarn fortzogen, zurück in die Stadt, in ihre Häuser, aus denen die Leute aus Adana auszogen, um in ihrer Stadt einen milden Winter zu verbringen, in dem sie wahrscheinlich wieder keinen Schnee sehen würden. Timur, Fatma und Gül zogen zurück aufs Dorf, weil hier niemand mehr war zum Reden, um Mehl auszuborgen oder eine Schubkarre voll |301| Dünger. Sie zogen zurück aufs Dorf, aber ohne ihr

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