Heinermaedsche
ins Bockshorn jagen. Eva probierte zwei Zahlenkombinationen und erhielt jedes Mal die Meldung ›Falsche Eingabe‹. Ihre Hand zitterte, da sie wusste, nach dem dritten vergeblichen Versuch wäre das Handy gesperrt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, es würde ihr aus der Brust springen. Wenn sie noch einmal eine falsche PIN eingab, würde Hermann morgen früh sehen, dass sich jemand an seinem Handy zu schaffen gemacht hatte. Oh Gott, das ganze Unterfangen verlief in eine Richtung, die Eva nicht bedacht hatte. Hilfe suchend sah sie sich im Salon um. Es gab keine plausible Erklärung, was sie mit Hermanns Handy gewollt hatte. Plötzlich hatte Eva einen Geistesblitz.
Als Hermann das Handy gekauft hatte, hatte er lachend gesagt: »Deinen Geburtstag werde ich nun nie wieder vergessen.«
Vielleicht war das Datum ihres Geburtstags die PIN?
Sie tippte ein: ›1606‹.
›Willkommen‹ stand nun auf dem Display.
Gott sei Dank. Sie öffnete Hermanns SMS-Posteingang.
Meine Güte, sind das viele Nachrichten, dachte Eva. Sie schlug sich die linke Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken, als sie die zuletzt eingegangenen Nachrichten las: Alle stammten von einer Audrey und hatten einen sehr eindeutigen, geradezu ekelhaften Inhalt. Ihr wurde heiß und schwindelig. Die Hoffnung stirbt zuletzt, so hieß es doch immer – aber was, wenn die Hoffnung tatsächlich starb? Eva war den Tränen nah. Wie in Trance erhob sie sich und ging in das Arbeitszimmer ihres Mannes. Dort steuerte sie den antiken Sekretär an.
Sie schrieb sich die Absendernummer auf ein Blatt des kleinen Notizblocks, der neben dem Telefon lag. Für diese Nummer war er ihr fast schon zu schade, aber wer wusste schon, wofür sie noch gut sein würde.
Anschließend steckte sie Hermanns Handy zurück in seine ›The Bridge Tasche‹. In Gedanken versunken wusch sie das Geschirr ab und räumte die moderne Küche auf. Dann löschte sie das Licht und ging die geschwungene Treppe in den ersten Stock hinauf. Hermann lag auf seiner Seite im Bett und schnarchte friedlich. Das Schlafzimmer war ein großer, heller Raum. In der Mitte stand ein Holzbett mit wertvoller Bettwäsche. An der Wand hingen ein Spiegel und Originalzeichnungen von Albrecht Dürer.
Sie legte sich neben ihren Mann und schlief, nachdem sie sich lange hin und her gewälzt hatte, endlich ein. Es wurde eine schreckliche Nacht für Eva. Ein Albtraum plagte sie. Darin beobachtete sie Hermann und eine junge Frau, die diese Audrey sein musste, beim Einkaufen in einer edlen Boutique. Sie stand direkt neben den beiden und schrie sich die Lunge aus dem Hals, aber keiner hörte sie. Sie war einfach Luft für alle Anwesende im Raum. Hermann und seine Geliebte verließen turtelnd die Boutique und sie lief ihnen nach, konnte jedoch nicht Schritt halten, der Abstand zwischen ihnen wurde immer größer, bis die beiden nicht mal mehr am Horizont zu sehen waren. Da erst wurde ihr bewusst, dass sie angekettet war. Als sie sich umdrehte, erkannte sie, dass sie mit einer riesigen Geburtstagstorte fest verbunden war. Auf der fast haushohen Torte brannten viele Kerzen. Für jedes Lebensjahr eine. Als sie heruntergebrannt waren, schmolz der Zuckerguss langsam und Audrey kam im Innern der Torte zum Vorschein. Sie stand auf einem Podest und lachte: »Deine Zeit ist abgelaufen.«
Schweißgebadet und mit Herzklopfen schreckte Eva hoch. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand, dann drangen die gleichmäßigen Schnarchgeräusche Hermanns an ihr Ohr. Langsam beruhigte sie sich ein wenig und ließ sich zurück in ihr Kissen sinken. Sie versuchte sich klarzumachen, dass es nur ein Traum gewesen war. An Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.
3
Am nächsten Morgen verabschiedete sie sich, wie immer sehr herzlich, von ihrem Mann in der Garage, in der ihre beiden Autos standen. Ein standesgemäßer Jaguar für Hermann und ein sportlicher Mini für Eva. Eigentlich hatte Eva so ihre Schwierigkeiten mit sportlichen Autos, aber in dieses hatte sie sich sofort verliebt.
Nachdem Hermann weggefahren war, setzte sie sich in seinem Arbeitszimmer an den Schreibtisch und wählte voller Erwartung die gestern notierte Handynummer. Sie wollte wissen, mit wem sie es zu tun hatte und wer es wagte, solche SMS an ihren Mann zu schicken.
Eine jung klingende Frau meldete sich. »Ja, hallo.«
Der schrille Klang erinnerte Eva eher an eine Feuerwehrsirene als an eine
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