Heinrich Mueller 05 - Mordswein
von Erfolg gekrönt war, denn es waren keine Plastiktaschen dekorativ an die Wand gestellt. Vielleicht war auch einfach nur ihr Portemonnaie leer, denn die angestrebte Modelkarriere hatte noch nicht richtig gezündet, und so waren die drei auf Fremdgelder angewiesen, die nur sporadisch flossen, wenn sie ihren Eltern im Verweigerungsfall mit Aktivitäten zum Gelderwerb drohten, die anderen Mädchen die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte.
»Könnt ihr euch ein Getränk leisten?«, fragte Leonie von der Bar.
»Wer will das wissen?«, gab Melinda zurück, denn sie traute sich als Einzige solche Sprüche, obwohl selbst sie davor scheute, gewisse Wörter auszusprechen.
»Ich freue mich, euch zu sehen«, merkte Leonie sarkastisch an.
»Ist nicht wahr«, maulte Phoebe, »keiner freut sich, uns zu sehen.«
»Warum so patzig?«, erkundigte sich Leonie.
»Es ist heiß«, jammerte Melinda, strich sich den feinen Schweißfilm von den frisch rasierten Oberschenkeln und hielt sich den Finger an die Nase.
»Ekelhaft!«, meldete sich Phoebe zu Wort. »Wie riecht’s?«
»Vulkanasche aus Island.« Melinda zuckte die Schultern.
»Sternenstaub«, seufzte Gwendolin beglückt.
»Straßendreck«, wies Phoebe ihre Kollegin zurecht. »Das Leben ist beschissen genug. Es braucht keine zusätzlichen Märchen.«
»Jetzt geht halt raus und genießt das schöne Wetter«, meinte Leonie.
»Sie will, dass wir Hautkrebs kriegen«, sagte Phoebe zu niemandem, denn der Satz blieb über Baron Biber hängen. Kein einziges Lüftchen wehte durch den Raum.
Leonie Kaltenrieder hatte gerufen, Nicole Himmel und Heinrich Müller hatten eingeladen, und nach und nach, einzeln oder in kleinen Gruppen, tauchten sie am Ort des Geschehens auf: Bernhard Spring, Störfahnder der Police Bern, einer, der eingesetzt werden kann, wo immer es ihn braucht, stand als Erster an der Bar. Kurz darauf kam seine Assistentin Pascale Meyer, in ihrem Schlepptau der Objekt-Verbrennungskünstler Cäsar Schauinsland.
Melinda Käsbleich, Phoebe Helbling und Gwendolin Rauch hatten sich nicht von ihren Plätzen vertreiben lassen und betrachteten mit kritischem Wohlgefallen Louise Wyss, Ex-Model für den Bauernkalender, und ihre beiden neuen Freundinnen. Der Künstler F. K. Swiss {2} war in ein Gespräch mit Andreas Bohnenblust und Ruth Huber von der Bäckerei Bohnenblust vertieft. Natürlich gesellten sich noch ein paar Leute dazu, von denen niemand wusste, wer sie eingeladen hatte. Jedenfalls war das ›Bauch & Kopf‹ gut gefüllt, und die Leute standen in angeregter Vorfreude im Raum. Sie hielten ein Glas Saar Riesling 2007 Fuder 13 von der Weinmanufaktur Van Volxem in der Hand, das die Journalistin nun kommentierte: honiggelb, Zitrus-und Melonenduft, im Mund süße Mirabellen, Melonen, und eine feine, weiche Säure im Abgang, frisch und wunderbar fett zugleich. Eine Scheibe Oliven-Chnebubrot kontrastierte mit den Weinaromen und vermählte den Süden mit dem Norden.
»So geht ein Winzerjahr zu Ende«, flüsterte Nicole Heinrich zu, »aus der Flasche in den Schlund. Alle Geräusche, die die Blätter gemacht haben, die Farben der Trauben, das Rascheln der Tiere finden sich glockenhell in diesem Glas. Und unsere Weinpäpstin erfindet die passenden Begriffe dafür.«
»Probier mal den«, erwiderte der Angesprochene ungerührt. »Ein Sauvignon Blanc vom Bielersee, Charles Steiner, Schernelz. Mineralischer Geschmack, kantige Leichtigkeit, elegante Fülle.«
»Das hast du jetzt irgendwo abgelesen!«
Heinrich lachte und zeigte auf einen Zeitungsausriss, den der Winzer mitgebracht hatte. »Aber es stimmt schon. Man soll nicht einfach alles in sich reinstopfen. Wenn du Begriffe für die Nahrungsmittel suchst, isst du langsamer und bewusster. Nimm zum Beispiel diesen Rohschinken aus dem Mendrisiotto.« Er hielt ihr eine Scheibe des dunklen Fleisches an die Nase.
»Fein salzig«, sagte Nicole, schnappte sich den Schinken und kaute genüsslich. »Süßlich-würzig«, erklärte sie, »mürbe, schmelzende Fette.«
»Geht doch«, erwiderte Müller, bevor er sich weiter der Degustation widmete.
Im Hintergrund eröffnete eine Schiffssirene Björks »Wanderlust«, bedrohliche Posaunen trieben die hypnotisierende Stimme durch die isländischen Techno-Beats wie durch den Malstrom des Lebens.
Um Heinrich und Nicole schwebten Fetzen der Konversation.
»Die irrsten Weinaromen?«, wiederholte die Journalistin die Frage des Winzers. »Toastbrot. Räucherspeck. Korinthenschokolade?
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