Heinrich Spoerl
die zwei gesparten Fünfmarkstücke aufeinander türmen, bis eine stattliche Säule daraus wird. Eine Säule des Wohlstandes und der Zukunft.
Ich habe manchen Zuhausebleiber gesehen, mich selbst und andere. Die Säulen habe ich bei keinem gefunden.
Spielendes Licht
Es ist schon lange her. Man kann sich kaum noch entsinnen. Aber es war eine glückliche Zeit. Vor allem eine bequeme Zeit: Das war damals, als man für den Film noch keinen Autor, sondern ein Rezept brauchte. Den Wissenden war es geläufig: das waren die Männer, die um den Geschmack des Publikums wußten. Sie erfanden das Märchen von der zahlenden Masse, die vom Film nicht Haltung, sondern Unterhaltung erwartet, und sie besaßen das Kochbuch, nach welchem der bombensichere Publikumserfolg zusammengebraut wurde.
Das Rezept droht verloren zu gehen. Ich will es an die große Glocke hängen, damit es einer besseren Nachwelt erhalten bleibt. Als Kuriosum und Schreckmittel.
Das Rezept bezog sich auf die Filmmoral. Nicht in dem Sinne, wie tief der Ausschnitt und wie hoch das Röckchen rutschen durfte. Das war international geregelt. Sondern:
Erster Leitsatz: Geld macht glücklich. Das ist zwar weder neu noch wahr. Aber man braucht es nicht lange zu beweisen, das glauben wir alle, die wir keins haben. Für Geld rackern und quälen wir uns die Woche über; wir wollen wissen, wozu. Für Geld kann man sich alles kaufen. Kunst und Kino.
Zweiter Grundsatz: Liebe macht glücklich. Aber selbstverständlich tut sie das! Wofür hat man sie sonst? Unglückliche Liebe verfehlt ihren Zweck. Schlimm genug, daß es so etwas gibt; man will davon nichts wissen. Es soll zwar Menschen geben, die nur glücklich sind, wenn sie unglücklich lieben. Im Film würde man über sie lachen.
Dritter Leitsatz: Wenn Geld glücklich macht und Liebe glücklich macht – wie viel Glück gibt dann erst die Vereinigung von Geld und Liebe: Die reiche Partie. Geld mal Liebe, das ist Glück im Quadrat. Es ist zu verstehen, daß der Film sich dieses Quadratglück nicht entgehen läßt. Denn das Glück auf der Leinwand ist Glück im Parkett, und Glück im Parkett ist Glück in der Kasse. Die nach diesem Rezeptbuch hergestellten Filme zerfallen demgemäß in zwei Kategorien.
Typ A: Das Gänseliesel heiratet den Königssohn. Gänseliesel ist die Privatsekretärin, das Blumenmädchen, die Choristin oder die Hausgehilfin. Selbstverständlich alle in Edelausgabe. Königssohn ist der Bankdirektor, der Lord, vor allem der reiche Amerikaner, der, aus dem realen Leben verdrängt, sich völlig auf die Leinwand zurückgezogen hat.
Typ B: ist die Umkehrung: Der Schweinehirt heiratet die Prinzessin. Der Schweinehirt ist im Film der kesse Junge, der nichts ist und nichts hat und nichts kann und nichts tut als gut aussehen. Die Prinzessin ist die reiche Tochter mit viel am kleinen Füßchen, Autofabrik, anonymes Herzogtum, und nicht unter zwölf Zylinder.
Vierter und oberster Leitsatz: Das Happyend. Es ist so selbstverständlich, daß es für das Gegenteil nicht einmal einen Namen gibt. Es mag auf der Leinwand noch so hoffnungslos zugehen; man lehnt sich beruhigt in seinen Sessel zurück und weiß, der Autor wird schon rechtzeitig den Dreh finden. Man läßt sich wohlig etwas Gänsehaut anblasen, aber das Herzklopfen kommt nicht über ein der Gesundheit zuträgliches Maß hinaus. Die Tragik des Trauerspiels, wo der letzte Überlebende sich selber ersticht oder vom Souffleurkasten aus abgemurkst werden muß, ist dem Film nicht geläufig. Die Leute wollen auf der Leinwand das sehen, was sie sich für ihr Dasein wünschen: Das garantierte Happyend in allen Lebenslagen.
Happyend im Film heißt Ehe. Da wird nicht ernstlich gestorben oder verunglückt – da wird geheiratet. Skeptiker halten es für Ironie, und Idealisten sind der Ansicht, daß mit der Heirat das wahre Kino erst anfängt. Der Film interessiert sich nicht für diese Streitfrage. Es gibt eine Sorte von Romanen, bei denen sie sich kriegen oder nicht kriegen. Der Film hat ein für allemal entschieden: Sie kriegen sich.
Heute ist das überwunden. Unsere Filme sind anders. Alle – wenigstens die meisten – jedenfalls viele – immerhin manche –. Leute, habt Geduld mit dem Film! Er ist noch so jung, hat noch keine rechten Manieren; er ist ein bisschen schnell gewachsen, die inneren Organe sind nicht mitgekommen. Man mag ihn schelten, stauchen. Aber man soll ihn nicht verurteilen, sondern ihm mildernde Umstände zubilligen und
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