Heinrich Spoerl
Ich.
Ferien zum Ich aber bedeuten: Ferien vom Du.
Denn die »Dus« sind es, die unser Ich einschränken, erdrosseln. Da ist das große klare Du der amtlichen Gattin, das gleichberechtigte, vielleicht sogar das vorgesetzte Du. Dann sind es die mehr oder weniger zahlreichen kleinen, aber um so lebhafteren Dus der Sprösslinge, die unsere Frackschöße zerren. Vielleicht ist es auch nur das sanfte, aber um so anspruchsvollere Duchen der unverbindlichen Freundin.
Ferien sind kein Amüsemang, sondern körperliche und seelische Hygiene. Ein kurzer, aber kräftiger Ausgleich für die notwendige Einseitigkeit des normalen Lebens. Wer zuviel in Trab ist, wird sich in den Ferien auf den Rücken legen; der Schreibsesselmensch hingegen klettert auf die Berge. Der Vereinsamte mag sich in Geselligkeit stürzen, vielleicht sich in den Ferien auch vorübergehend verzweisamen; der übermäßig Verheiratete aber geht in die Ferien vom Du.
Übermäßig verheiratet ist jeder, der es nicht weiß, ja sogar entrüstet abstreitet. Gerade das ist der beste Beweis. Er weiß nicht mehr, was es heißt, aufzustehen und zu Bett zu gehen, wann man will, zu essen und zu trinken, wie man will, zu gehen, wohin man will, und zu schweigen und zu reden, wann und was man will. Er weiß nicht mehr, was Wollen heißt, er kennt nur noch Müssen und Sollen und Können und Dürfen.
Die Ferien vom Du darf man freilich nicht missbrauchen, sich nicht an Stelle des abgehängten großen Du ein anderes interimistisches Duchen anhängen. Das wäre schofel. Und gefährlich obendrein. Ferien vom Du sind nicht identisch mit Eheurlaub.
Zu den Ferien vom Du gehören allerdings zwei: Erstens die Ferien und zweitens das Du, das man anstandshalber fragen muß. Vielleicht ist es ein liebes und verständiges Du. Vielleicht erhebt das Du selber Anspruch auf Ferien vom Du; man kann es ihm auch hintenherum einreden, und der geschickte Diplomat fängt überhaupt die Sache von dieser Seite an. Vielleicht aber hat unser Du Misstrauen. Natürlich grundlos: Wir können auf unser untadeliges Vorleben verweisen. Aber vielleicht haben wir uns nicht kriegen lassen. Sagt unser Du. Oder wir wollen jetzt das Versäumte nachholen. Sagt unser Du. Frauen sind merkwürdig. Sie wollen alle einen Don Juan zum Manne – aber einen für sich allein.
Gegen Misstrauen hilft keine Logik. Man muß den Mut haben. Aber gerade die, denen die Ferien vom Du am nötigsten sind, haben diesen Mut nicht zur Hand. Denn der Mut hat seinen Sitz in dem kleinen, erdrosselten Ich.
Und wenn es gar nicht anders geht, wenn unser großes vorgesetztes Du meint, wir würden die Ferien vom Du nicht vertragen, dann tut es zur Not auch eine schwächere Dosis, eine mildere Form: Ferien mit getrennten Zimmern. Dann ist man wenigstens Herr seiner vier Wände und darf tausend Dinge, die man sonst nicht darf: den Anzug hinschmeißen, mit den Schuhen auf den Diwan, im Bett rauchen, lesen, schnarchen, vorzeitig aufstehen und mit einem Körbchen selbstgepflückter Erdbeeren zum Kaffee erscheinen oder bis zum Mittagessen pennen. Man hat partielle Ferien vom Du und trifft die Gattin tagsüber wie eine gute Bekannte oder liebe Freundin. Und bleibt immerhin unter Kontrolle.
Aber das alles ist nur Halbheit, Notbehelf. Radikale Ferien vom Du sind besser, wirkungsvoller, nachhaltiger. Am schönsten daran freilich ist das Ende, und das ist ja auch der eigentliche Zweck der Übung: Die erste Woche fühlt man sich wie ein Gott in Frankreich, tobt seinen junggeselligen Willen aus und möchte nach Argentinien auskratzen. In der zweiten Woche findet man schon ein Haar in der Suppe, vielleicht auch ganze Büschel. In der dritten Woche zählt man die Tage und tut stille Abbitte; in der vierten hält man es nicht mehr aus und geht an den Wänden hoch. Stirbt vor Sehnsucht nach den Küssen der Gattin und dem Geplapper der Kindlein. Und ist restlos und für alle Ewigkeit geheilt. – Bis zum nächsten Jahr.
Päng
Er hieß mit Spitznamen Spatz und war ein Original. Jeden Morgen. wenn er in die Klasse kam, stellten wir mit Begeisterung fest, daß er immer noch dieselbe Hose anhatte, mit demselben Loch, das durch eine handfeste schwarze Sicherheitsnadel verschämt zusammengehalten wurde. Er trug sie auch bei festlichen Anlässen, zu Kaisers Geburtstag, und sogar im Theater zu Don Carlos, wo wir andern mit frischgebügelten und drausgewachsenen Konfirmationsanzügen erschienen.
Aber während wir unsere faulen Witze machten und
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