Heinrich Spoerl
kauen betreten an ihren Bleistiften.
»Können wir nicht vielleicht unsere Hausarbeit machen?«
»Nein! Erstens werden Hausarbeiten, wie der Name sagt, zu Hause gemacht. Und zweitens habt ihr fünf Stunden hinter euch und müßt eure zarte Gesundheit schonen. Ruht euch aus; meinethalben könnt ihr schlafen.«
Schlafen in den Bänken hat man genügend geübt. Es ist wundervoll. Aber es geht nur, wenn es verboten ist. Jetzt, wo es empfohlen wird, macht es keinen Spaß und funktioniert nicht.
Eine öde Langeweile kriecht durch das Zimmer. Die Jungens dösen. Der Professor hat es besser; er korrigiert Hefte.
Kurz nach zwei kamen die Putzfrauen, die Obertertia konnte nach Hause, und der lange Klostermann, der das mit dem Stift gemacht hatte und sehr stolz darauf war, bekam Klassenhiebe.
Man muß es richtig machen
Ich habe mir die schönste Sommerfrische ausgesucht, die aufzutreiben war. Ich habe alle erreichbaren Prospekte, Führer, Lexika und Atlanten ausgebrütet. Ich erfuhr, daß Deutschland viele Schweizen hat, eine sächsische, fränkische, holsteinische und so weiter, die Schweizer Schweiz ist nichts dagegen, und jeder Ort, der auf sich hält, sich Perle nennt, Perle des Sauerlandes, der Saale, der Eifel, der Ostsee; ich weiß nicht, welche Stelle den Titel verleiht, aber sie ist sicher stark beschäftigt. Und alle haben noch ihre Spezialtugenden, der eine beruft sich auf Hermann den Cherusker, der andere hat ein neues Gymnasium, der dritte keine Fabrik, der vierte »eine zahlreiche Kuhherde, die täglich auf würzige Weide getrieben wird und ausgiebig für frische Milch sorgt«, der fünfte renommiert: »Die Besucher genießen die Höhenluft ständig, auch während des Schlafes.«
Die Luft auch während des Schlafes hätte mich bestochen, wenn ich nicht noch einen schöneren Prospekt gefunden hätte. »Die Kurkarten sind immer bei sich zu führen.« Das leuchtete mir ein. Kurkarten, die nicht bei sich sind, verfehlen ihren Zweck, und wenn sie gar außer sich sind, stören sie die Ruhe. Wohlgemerkt, dies schreibt nicht ein internationales Bad, das sieben Sprachen spricht und für die schlechten Deutschen schlechte Übersetzungen bereithält. Das ist Kurdeutsch.
Für diesen Ort entschied ich mich. Wo man so schlecht schreibt, wird sicher gut gekocht.
***
Man muß das richtig machen. Ich melde mich nicht vorher an. Ich will wissen, wo ich logiere, ob mein Zimmer neben der Küche oder anderen geräuschvollen Lokalitäten liegt, ob es Aussicht auf den Dunghaufen oder den Ansichtskartenmann hat. Ich miete, wenn ich gesehen habe.
Meine »Perle« hat vierzehn Hotels und zweiunddreißig Pensionen. Sechsundvierzig Hausdiener – oder ein paar weniger – würden an der Bahn sein, eine reiche Auswahlsendung, aus der ich mir den freundlichsten, pausbäckigsten heraussuche. So hatte ich mir das gedacht.
Als ich ankam, brannte auf dem Bahnhof noch eine Lampe. Von Hausdienern keine Spur, aber der einzige Bahnbeamte erbarmt sich meines Handgepäcks und wünscht mir viel Glück.
Nicht als ob der Ort schon schlafen gegangen wäre. Das Tal schimmerte in tausend Lichtern, aus allen Fenstern kam Lärm, Lachen, Musik und Tanz, und auf den Straßen liefen lustige und überlustige Leute. Nur für mich, den späten Kurgast, hatte man kein Interesse. Das Sommerwetter hatte seine Schuldigkeit getan, das letzte Bett war ausverkauft. Wie ein Landstreicher irrte ich von Haus zu Haus.
Gegen zwei Uhr fand ich ein mitleidiges Hotel, das sich irgendwie verpflichtet fühlte, mir unter vielen Entschuldigungen und Vorbehalten ein Notquartier zu richten. Die Dachkammer hatte ich bereits im Film oder Traum gesehen, die Fensterluke war ohne Glas, der leuchtende Sternenhimmel zwinkerte ungeniert hinein, auf dem Holzstuhl stand ein Wassernäpfchen, und das Bett war eine Marterbank. Als ich darin dem strahlenden Morgen entgegenwachte, fand ich an der Wand statt des Spiegels das Plakat der gestrigen Festlichkeit: Tag des Gastes.
Die Nacht war nicht des Gastes und kostete drei Mark, ohne Bedienung und Kurabgabe.
***
Ich muß ein Geständnis machen: Ich war nicht allein. Ich hatte mir eine Begleiterin mitgebracht. Für alle Fälle. Eine, die meine Gewohnheiten kennt und meine Launen erträgt und nur den einen kleinen Fehler hat: daß sie meine Frau ist.
Ich weiß nicht, woran es liegt, aber wir wurden in den ersten Tagen etwas fragend behandelt und hatten unseren Spaß daran. Um den Verdacht zu verstärken, taten wir neu. Der Oberkellner
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