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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Stunde das Zirpen in der Schalldose aufhört und ich das Schlußwort sagen kann. So mache ich das. Ich habe den Mut dazu. (Auf dem Papier.)
    Am Telephon gibt es auch höfliche Leute. Sie sagen: Jawohl, Herr Generaldirektor – ganz wie Sie meinen, Frau Oberpostkassenbuchhalter. Und machen dabei jedes Mal eine hastige Verbeugung an der Strippe. Der andere kann sie nicht sehen, aber hört sie am Einknicken der Stimme.
    Übertriebene Höflichkeit dagegen ist verdächtig. Wenn man gerufen wird: Verzeihen Sie tausendmal, daß ich Sie störe, es ist mir selbst so schrecklich peinlich, würden Sie vielleicht die große Liebenswürdigkeit haben und so freundlich sein – dann weiß man, man muß Herrn Sowieso oder Fräulein Vis-à-Vis herbeiholen. Man tut es gern, es ist gleich nebenan, nur fünf Treppen. Und dann zieht man sich diskret aus dem Zimmer zurück. Oder wird Zeuge eines einseitigen geheimnisvollen Dialogs: Ja – nein – wie gestern – sag du es – nein, das letztere – vielleicht ungefähr – nein, das andere – .
    So ist das Telephon voller Probleme. Das schwierigste allerdings kommt jeden Monat und ist ein dicker Briefumschlag mit einer dicken Zahl. Wenn man dieses Problem nicht löst oder nicht rechtzeitig löst, dann lösen sich alle anderen von selbst, und man ist wie in der Sommerfrische.
Der Stift
    Eine Türklinke besteht aus zwei Teilen, einem positiven und einem negativen. Sie stecken ineinander, der kleine wichtige Stift hält sie zusammen. Ohne ihn zerfällt die Herrlichkeit.
    Auch die Türklinke an der Obertertia ist nach diesem bewährten Grundsatz konstruiert.
    Als der englische Lehrer um zwölf in die Klasse kam und mit der ihm gewohnten konzentrierten Energie die Tür hinter sich schloß, behielt er den negativen Teil der Klinke in der Hand. Der positive flog draußen klirrend auf den Gang.
    Mit dem negativen Teil kann man keine Tür öffnen. Die Tür hat nur ein viereckiges Loch. Der negative Teil desgleichen.
    Die Klasse hatte den Atem angehalten und bricht jetzt in unbändiger Freude los. Sie weiß, was kommt. Nämlich römisch eins: Eine ausführliche Untersuchung, welcher schuldbeladene Schüler den Stift herausgezogen hat. Und römisch zwei: Technische Versuche, wie man ohne Klinke die Tür öffnen kann. Damit wird die Stunde herumgehen.
    Aber es kam nichts. Weder römisch eins noch römisch zwei. Professor Heimbach war ein viel zu erfahrener Pädagoge, um sich ausgerechnet mit seiner Obertertia auf kriminalistische Untersuchungen und technische Probleme einzulassen. Er wußte, was man erwartete, und tat das Gegenteil:
    »Wir werden schon mal wieder herauskommen«, meinte er gleichgültig. »Mathiesen, fang mal an. Kapitel siebzehn, zweiter Absatz.«
    Mathiesen fing an, bekam eine drei minus. Dann ging es weiter; die Stunde lief wie jede andere. Die Sache mit dem Stift war verpufft. – Aber die Jungens waren doch noch schlauer. Wenigstens einer von ihnen. Auf einmal steht der lange Klostermann auf und sagt, er muß raus.
    »Wir gehen nachher alle.«
    Er muß aber trotzdem.
    »Setz dich hin!«
    Der lange Klostermann steht immer noch; er behauptet, er habe Pflaumenkuchen gegessen und so weiter.
    Professor Heimbach steht vor einem Problem. Pflaumenkuchen kann man nicht widerlegen. Wer will die Folgen auf sich nehmen? Der Professor gibt nach. Er stochert mit seinen Hausschlüsseln in dem viereckigen Loch an der Tür herum. Aber keiner läßt sich hineinklemmen.
    »Gebt mal eure Schlüssel her.« Merkwürdig, niemand hat einen Schlüssel. Sie krabbeln geschäftig in ihren Hosentaschen und feixen.
    Unvorsichtigerweise feixt auch der Pflaumenkuchenmann. Professor Heimbach ist Menschenkenner. Wer Pflaumenkuchen gegessen hat und so weiter, der feixt nicht.
    »Klostermann, ich kann dir nicht helfen. Setz dich ruhig hin. Die Rechnung kannst du dem schicken, der den Stift auf dem Gewissen hat. – Klebben, lass das Grinsen und fahr fort.«
    Also wieder nichts. Langsam, viel zu langsam wird es ein Uhr. Es schellt. Die Anstalt schüttelt ihre Insassen auf die Straße. Die Obertertia wird nicht erlöst: Sie liegt im dritten Stock am toten Ende eines langen Ganges.
    Professor Heimbach schließt den Unterricht und bleibt auf dem Katheder. Die Jungens packen ihre Bücher: »Wann können wir gehen?«
    »Ich weiß es nicht, wir müssen eben warten.«
    Warten ist nichts für Jungens. Außerdem haben sie Hunger. Der dicke Schrader hat noch ein Butterbrot und kaut mit vollen Backen; die anderen

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