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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Flegeljahre erscheinen neu, man protzt mit Lümmelhaftigkeit und wird albern und rauflustig wie ein Tertianer. Letzte Stufe: Die Sprache bildet sich zum Lallen zurück, man kriecht auf allen Vieren und benimmt sich auch sonst wie ein Säugling; es ist Zeit, daß man zu Bett gebracht wird. – Die Kunst des Trinkens besteht darin, zur rechten Zeit aufzuhören: In Damengesellschaft bei Stufe eins, unter uns Männern bei Stufe zwei; Stufe drei dagegen ist nur bei höchsten Anlässen verstattet.
    Die Verjüngelung hält nicht an. Der nächste Tag ist der Rückführung zum Normalzustand gewidmet und mit guten Vorsätzen gepflastert. Man tut Buße – nein, man tut nicht, man wird getan. Das ist der erzieherische Wert des Katers, man schwört Abstinenz und wird ein anderer Mensch. Nur schade, daß dieser andere Mensch auch nur ein Mensch ist und bei erstbester Gelegenheit wieder Durst bekommt.
    Woher ich das alles weiß? Je nun, aus dicken, schweren Büchern, die ich nächtlich studiere. Andern Tags bin ich sehr müde.
    München ist die Zentrale des quantitativen Trunks und auch die Heimat des einsamen Zechers. Er sitzt im Mathäserbräu oder ähnlichen Gewölben an einem Holztisch und ist mit sich und seiner Welt allein. Seine Welt besteht aus dem Maßkrug. Er hat die Ellbogen aufgestützt, ist unbeweglich wie ein Toter und starrt mit kleinen Augen auf das graue Tongefäß. Der Laie würde es Dösen nennen, es ist aber etwas anderes. Der einsame Zecher bringt zuwege, was der Buddhismus erstrebt, die Selbsterlösung des Menschen; er ist ohne Wunsch und ohne Denken, fern der Erdenschwere und mit dem Kosmos verschmolzen: Dem Nirwana nahe.
    Der Wein erfindet nichts? Hier irrt Schiller. Der Wein ist geradezu Spezialist darin, er erfindet alles Fehlende: Die verhinderten Helden, die übergangenen Strategen, die unterbliebenen Casanovas, sie alle kommen auf ihre Kosten. Der Wein erfindet alles. Die Chemie sagt, das tut der Alkohol. Das kann nicht stimmen. Der Alkohol ist in allen Getränken derselbe: C 2 H 5 OH. Aber jedes Gesöff hat seinen speziellen Schwips und seinen speziellen Kater. Bier weckt bürgerliche Instinkte und unerhört politische Begabung; Mosel macht einen lustigen unverbindlichen Affen, Rheinwein weitet Herz und Geist, Burgunder philosophiert in vornehmer Melancholie, Schnaps lähmt die Zunge und zersetzt das Gehirn. Bowle ist eine liebenswürdige Panscherei; die Früchte saufen den Alkohol und opfern sich für uns. Backfische löffeln die Erdbeeren und sind es dann selber schuld.
    Sekt ist eigens für die Frauen erfunden. Richtiger gesagt, gegen die Frauen: Mit Sekt kann man die gestärktesten Tugenden reihenweise umlegen. Nicht immer. Ich hatte eine Freundin, die mochte keinen. Als Backfisch war ihr vom Arzt Sekt verordnet; er schmeckte ihr wie Medizin, und sie spülte mit Fachinger nach. Seitdem bekommt sie vor Sekt eine Gänsehaut. Es geht uns allen ähnlich; vielleicht nicht gerade mit Sekt, aber mit anderen guten Dingen, die uns aufgezwungen wurden: Milch, Klavierspielen, Wilhelm Tell.
    Frauen, alle mal herhören! Wir reden von der männlichsten aller Mannestaten, vom Trunk um des Trunkes willen.
    Die Frauen sind grundsätzlich dagegen. Erstens, weil sie nichts davon verstehen, und zweitens, weil sie nicht dabei sind. Gegen beides hilft: Mitnehmen. Nicht zum Bierkeller, wo auf Holzbänken dicke Männer sitzen und schwitzen, weil sie trinken, und trinken, weil sie schwitzen. Aber was ein edler Rheinwein ist, der fürchtet sich keineswegs vor kundigen Frauenlippen.
    Frauen, die nein sagen, sind verdächtig. Entweder schmeckt es ihnen nicht, dann haben sie keinen Geschmack, oder sie haben Angst um das Niveau ihrer Konversation, dann sind sie Gänse, oder sie fürchten sich überhaupt und so, dann haben sie ihren Beruf verfehlt. Und wenn ich den Zorn aller derer auf mich lade, auf die ich ohnehin keinen Wert lege: Frauen, die Limonade bevorzugen, sind selber Limonade.
Ferien vom Du
    ›Ferien vom Ich‹ soll man machen? Ich bin, wie immer, anderer Ansicht.
    Wenn wir ehrlich sein wollen: wir haben ohnehin viel zuwenig Ich. Wir sind Zeitgenosse, Berufsgenosse, Familienvater, Nachbar, Mitglied und was weiß ich. Wir stehen in tausenderlei Diensten und Bindungen, wir tun nicht, was wir möchten, sondern was wir sollen und dürfen und müssen. Unser kleines, armes Ich ist umdrängt und eingeklemmt von vielen anderen Ichs und kann nicht mehr japsen.
    Nicht Ferien vom Ich tun uns not, sondern Ferien zum

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