Heinrich Spoerl
Wachlokal und stürzen auf ihre Plätze.
Derendorf hat sich vor Schreck erhoben, schwankt gegen den Schrank, torkelt zu dem kleinen Spiegel und sieht mit Entsetzen sein gerötetes Gesicht mit den flackernden Augen. Und dann ist neben ihm ein zweites Gesicht, eine Hand packt ihn am Kragen, er fühlt sich durch die Stube gezogen, hört Riegel knirschen und ist mit sich allein in der nüchternen Arrestzelle. – Das war lieb von dem Gladbach! Hätte er ihm gar nicht zugetraut – hup!
»Wo ist der Postenchef?« Mitten in der Wachstube steht bereits der Bezirksinspektor.
Neuß weiß nicht, wohin er die Pfeife stecken soll. Gladbach retiriert, vor Unsicherheit immer die Hacken klappend, langsam hinter seinen Schreibtisch.
»Der ist –« räuspert sich Neuß.
»Weg!«, erklärt Gladbach.
»Auf Streifengang«, ergänzt Neuß.
»Streifengang zwei!«, meldet Gladbach.
Der Inspektor mustert das Wachlokal.
»Aber wenn der Herr Inspektor vielleicht mal –«
»– Die Dienstübersicht ansehen wollen?« Gladbach reicht eilfertig dem Inspektor eine schwarze Kladde. Der wirft nur einen flüchtigen Blick hinein. Neuß bringt ein großes, schwarzes Buch: »Und das Polizeitagebuch, Herr Inspektor!«
Sie schleppen weitere Bücher heran und Hefte: »Unsere Statistik gefällig, Herr Inspektor?« – »Oder das Sicherheitsstörverzeichnis!«
Der Inspektor würdigt die Bücher kaum eines Blickes, sondern geht langsam durch den Raum, prüft mit dem Zeigefinger, ob Staub auf den Schränken liegt und auf dem Lampenschirm, sieht hinter die Regale, findet die ausgekippten Heftklammern auf dem Tisch und räuspert sich.
Waffenbuch gefällig?
Und hier die Jerätestandsliste, Herr Inspektor!
Und das Kfz-Führungsbuch.
Eja, und hier das Unterrichtsheft.
Und unser Buch über Festnahmen.
Und dat Asservatenverzeichnis.
Der Inspektor aber steht vor dem geöffneten Schrank und mustert mit Unmut die Unzahl der Akten. Schreitet wieder durch den Raum, bleibt vor der Tür der Asservatenkammer stehen; Gladbach flitzt herbei und schließt die Tür auf. – Der Inspektor wandert weiter, bleibt vor der Haftzelle stehen, aber von den Hilfsbeamten rührt sich keiner. Der Inspektor runzelt die Stirn und räuspert sich.
»Dat is nur unsere Haftzelle«, erklärt Neuß und macht noch immer keine Anstalten, dem Herrn Inspektor die Tür zu öffnen.
»Aber wollen Herr Inspektor sich nicht unsern neuen Motorradschuppen ansehen?«, versucht Gladbach.
»Zeigen Sie mir die Haftzelle!«, besteht der Inspektor.
Neuß hat sich unwillkürlich vor die Tür zur Arrestzelle gebaut: »Dat jeht nit, da is einer drin – und der is nämlich jemeinjefährlich, der will einem immer jleich in die Jurgel beißen.«
Der Inspektor entsichert schweigend seine Pistole, schiebt Neuß zur Seite, öffnet die Riegel und tritt in die Haftzelle ein. Auf der Pritsche liegt, fest in die beiden Decken gewickelt, eine gekrümmte Gestalt und schneidet eine unkenntliche Fratze.
»Typische Verbrecherphysiognomie!«, konstatiert der Inspektor und geht wieder hinaus.
»Gefängniswagen kommt gleich, Herr Inspektor.«
Aber der Inspektor ist noch nicht fertig. Er steht wieder vor dem vollgepfropften Aktenschrank und schüttelt mißbilligend den Kopf. Im Raum herrscht gespanntes Schweigen. Gladbach und Neuß halten den Atem an und beobachten jede Regung des Inspektors.
»Sehr bedauerlich, daß der Postenchef nicht zur Stelle ist.« – Gladbach und Neuß werfen sich einen Blick zu.
Die Stimme des Inspektors wird etwas unheilvoll: »Ich hätt ihm – Wichtiges zu sagen.«
Gladbach und Neuß ziehen die Köpfe ein.
Endlich wendet sich der Inspektor um, mit einer Kopfbewegung zum Aktenschrank: »Ihr verbraucht mir zuviel Papier!«
Neuß obstinat: »Dat jeht nit anders. Dat brauche mer zum Schreiben, oder wat denken Sie wofür?«
»Weiß ich nicht. Jedenfalls wäre es besser, Sie würden etwas weniger schreiben.«
Gladbach weiß noch nicht, worauf der Inspektor hinaus will: »Das müssen wir aber, Herr Inspektor, weil wir doch so viel Arbeit haben.«
Der Inspektor geht langsam auf die beiden Beamten zu: »Dann – müssen Sie es eben so einrichten –«, er sieht die Beamten scharf an, »daß Sie weniger Arbeit haben!«
»Weniger arbeiten?«, schreit Derendorf aus der Arrestzelle und ballert gegen die Tür.
Neuß ist etwas blaß geworden: »Sehen Sie, Herr Inspektor, wie gefährlich dat da is –!«
Derendorf wirft sich von innen mit der Wucht seines Körpers gegen
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