Heinrich Spoerl
stellen Sie unten auf die Rasten.«
Und braust mit ihr aus dem Amtsraum.
– Vor einem grauen Mietshause hebt Derendorf die Angestellte von der Maschine und läßt ihr höflich den Vortritt.
»Ich bleibe draußen«, erklärt sie.
»Dann mache ich auch keine Haussuchung!«
Da marschiert die Angestellte ins Haus, und beide klettern die Treppen hoch. Auf dem zweiten Stockwerk geht ihr der Atem aus: »Wenn jemand schon so hoch wohnt!«
Oben endet die Treppe unvermittelt vor einer kleinen Tür. Derendorf klopft an.
Keine Antwort. Aber man hört ein unbestimmtes Geräusch.
Die Angestellte sieht Derendorf triumphierend an. Er klopft noch einmal, energischer: »Bitte, aufmachen!«
»Polizei!« kräht die Angestellte.
Ein Schlüssel wird gedreht, und in der geöffneten Tür steht, in bravem Hauskleidchen und mit vorgebundener Schürze, Lilo.
»Wachtmeister Derendorf. Es ist gegen Sie ein Verdacht geäußert worden …«
»Ich weiß«, unterbricht ihn Lilo vieldeutig lächelnd, »Sie haben es auf mich abgesehen. Aber das freut mich. Bitte!« Und läßt ihn ein.
»Danke.« Derendorf kommt in ein niedliches Dachzimmer mit schrägen, weißgetünchten Wänden, darin ein blitzblankes Messingbett, ein winziger Herd und niedliche, saubere Küchenmöbel. Es kann gar nicht ordentlicher, nicht unschuldiger sein!
Aber die Angestellte hat schon Schubladen herausgerissen und den Inhalt schadenfroh auf den Fußboden geleert.
»Moment mal!« fährt Derendorf dazwischen. »Sie sind hier nur Zeugin!«
Lilo ist ein wenig blaß geworden und öffnet selbst ihre Schränke und räumt sie aus. Die Angestellte schnuppert an den Töpfen, sie riechen nach Vim. Und Derendorf fährt mit den Händen behutsam in die Wäschepaketchen, die liebevoll mit Bändchen gebündelt sind, und tastet sie ab. Die Angestellte öffnet den Speiseschrank, aber Derendorf findet dort nichts, als spärliche Restchen auf sauberen Untertassen. Dann rückt er die Schränke ab und beklopft die Wände. Rollt den Teppich zusammen und untersucht die Ritzen im Boden. Öffnet das Fenster und untersucht eingehend Dachziegel und Regenrinne. Und bei allem beobachtet er heimlich Lilo, um aus ihren Augen zu sehen, ob er auf der richtigen Fährte ist. Aber Lilo lächelt undurchdringlich und nervös.
Je mehr er sucht und je weniger er findet, um so giftiger wird die Zeugin. Es zittert ihr in den Fingern, und als sie sich unbeobachtet sieht, macht sie sich über das Bett her, reißt rabiat die Laken herunter und wühlt unter den Matratzen. Läßt schließlich wieder ihren Grimm an der unschuldigen Wäsche aus, die sie auseinanderrupft, bis Hemdchen und niedliche Büstenhalter verängstigt durch das Zimmer flattern.
Derendorf aber ist bester Laune: »Haben Sie sich nun überzeugt?«
»Das ist es ja gerade, Herr Wachtmeister.« Die Stimme der Angestellten ist heiser vor Bosheit: »Ein anständiger Mensch hat immer etwas im Hause, was er nicht haben darf. Aber wenn er nichts hat, wenn man rein gar nichts bei ihm finden kann, dann stimmt etwas nicht. Dann ist er vorbereitet, und dann weiß man ja, woran man ist!«
Derendorfs Augen hängen an der Bluse der Angestellten? »Gestatten!« Macht einen schnellen Schritt auf sie zu und holt aus dem Blusenausschnitt ein Röllchen mit Nähgarn.
»Gehört das Ihnen?« fragt Derendorf die Angestellte.
»Sie hat es aus meinem Nähkästchen«, sagt Lilo, »aber ich schenke es ihr.«
Die Angestellte nimmt ohne ein Wort des Dankes das Garnröllchen wieder an sich. »Da ist aber schon eine Menge runter«, stellt sie unzufrieden fest.
Da reißt Derendorf die Geduld, er schiebt die Angestellte zur Tür hinaus: »Wir brauchen Sie nicht weiter!«
»Das kann ich mir denken«, kommt es noch aus dem Treppenhaus, »und viel Vergnügen, Herr Wachtmeister. Viel Vergnügen!«
Die Haussuchung ist beendet. Derendorf könnte jetzt gehen. Statt dessen steht er mitten im Zimmer.
»Wollten Sie noch etwas, Herr Wachtmeister?« fragt Lilo.
»Nein, eigentlich nicht.«
»Was meinen Sie mit ›eigentlich‹?«
Derendorf wird rot, öffnet die Aktentasche und entnimmt ihr einen zerdrückten Blumenstrauß: »Ich habe da zufällig – sollten eigentlich für mein Zimmer sein – .« Er schüttelt den Strauß auseinander, zupft die Blumen noch etwas zurecht, wird noch roter und reicht den Strauß Lilo. Macht eine korrekte Verbeugung und verläßt in strammer Verlegenheit das kleine Zimmer.
Lilo hört, wie seine Stiefel die Treppe hinunterpoltern. Und
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