Heinrich Spoerl
weiß ich auch nicht. Da müssen Sie die neuen Bestimmungen abwarten, die sind noch nicht raus.«
Die Frau ist nah dem Weinen: »Ach, ich will Sie ja auch nicht weiter belästigen, aber wissen Sie bestimmt, daß die neuen Bestimmungen herauskommen?«
»Bei uns kommen immer neue Bestimmungen heraus! – Bitte schön, der nächste!«
Der nächste, Mann mit Schaftstiefeln, offener Jacke und Pferdegeruch, beugt sich über den Schreibtisch und flüstert. Da ist der Beamte lautere Zuvorkommenheit und nickt und macht Bücklinge im Sitzen. Und der Mann mit Pferdegeruch verläßt befriedigt das wohlwollende Amt.
»Bitte, der nächste!«
Ein blasser, junger Mann: »Ich möchte nach dem Antrag fragen für meine Frau. Nächste Woche kommt schon das Kind.«
»Dann hätten Sie den Antrag früher stellen müssen.«
»Den Antrag habe ich schon vor drei Monaten gestellt.«
»Dann hätten Sie inzwischen mal nachfragen müssen.«
»Ich war jeden Tag hier.«
»Was? Jeden Tag?« Auf der Stirn des Beamten bilden sich Adern. »Ja –, wenn Sie uns täglich belästigen, wo sollen wir da die Zeit für Ihren Antrag hernehmen?«
»Ach –, daran habe ich natürlich nie gedacht. Aber nun kommt doch das Kind.«
»Damit hätten Sie eben warten sollen, bis der Antrag durch ist.«
»Aber – solange meine Frau noch kein Kind erwartet, hätte ich auch keinen Antrag stellen können.«
»So? Wieso? Ach so! Natürlich nicht! Das wäre ja noch schöner.«
»Na also, und wie soll dann meine Frau ein Kind bekommen?«
»Das ist nicht mein Sachgebiet. Bitte, der nächste!«
Da wird die zu ebener Erde gelegene Tür aufgestoßen, und in den Amtsraum hinein, zwischen Menschen und Schreibtische, knattert Derendorf auf seinem Motorrad, springt ab und kommandiert: »Alles sitzenbleiben, keiner verläßt den Raum!«
Und ehe die Beamten wissen, wie ihnen geschieht, hat Derendorf einen Schreibtisch aufgerissen und aus der Schublade einen Klumpen Butter hervorgeholt und auf den Tisch geknallt: »Woher kommt das?«
Ist schon am nächsten Schreibtisch und findet zwei Weinflaschen: »Und woher kommt das?« – Reißt aus dem dritten Schreibtisch eine Tüte mit Kaffee: »Und woher ist das?« – Beim nächsten hundert Meter weißes Gummiband: »Und das?« – Dann einen Blusenstoff: »Und das?« – Ein Paket Seife und eine frisch geschlachtete Ente: »Und das?«
Unbemerkt von der entsetzten Menge sind Gladbach und Neuß erschienen und türmen die gefundenen Sachen zu einer Pyramide und nehmen sie zu Protokoll.
»Feines Notstandsamt!« bemerkt Gladbach.
»Eja«, seufzt Neuß und befühlt die Ente. »Dem einen sein Not ist dem andern sein Brot.«
»Was fällt Ihnen ein?« Aus der Tür am Ende des Amtsraumes hastet mit rotem Gesicht der Vorsteher auf Derendorf zu: »Wer sind Sie – was soll das heißen – wir sind eine amtliche Stelle – ich werde das Ministerium – haben Sie überhaupt eine Vollmacht?«
Derendorf wendet sich langsam um: »Gestatten Sie!« Greift dem Vorsteher in die äußere Rocktasche und zieht daraus ein dickes Kuvert, öffnet es und findet bogenweise Benzinmarken, über achthundert Liter! »Herr Vorsteher, Sie fragten soeben nach meiner Vollmacht. Ich gebe zu, ich habe keine. Meine Vollmacht ist – der Erfolg.«
»Was heißt Erfolg?« kommt von hinten eine böse Frauenstimme. »Ja, mit Gewalt – da können Sie bei jedem etwas finden.« Die Beamten fahren herum und sehen in die giftigen Augen einer massigen Angestellten. Der schmale böse Mund öffnet sich wieder: »Aber zu gewissen Leuten gehen die Herren von der Polizei ja nicht. Und so eine Person braucht nur jung zu sein und ein bißchen gefällig, nicht wahr, Herr Derendorf?«
»Lilo«, flötet jemand, und einige lachen hämisch.
»Eine gute Idee«, meint Derendorf ruhig, »dann werde ich da auch einmal nachsehen.«
Das Notstandspersonal lacht. – »Bis Sie kommen, hat die alles beiseite geschafft!« ruft die massige Angestellte.
Derendorf geht langsam auf die Frau zu, die nun zurückweicht: »Vielen Dank für den Hinweis! Ich werde deshalb die Haussuchung sofort vornehmen. Und da Sie, mein Fräulein, so gut Bescheid wissen, kommen Sie mit!«
Die Dicke drückt sich hinter einen Kassenschrank: »Ja, aber …«
»Doch, als gesetzlich vorgeschriebene Zeugin.«
»Ja, aber …«
»Herzleidend? Macht nichts. Ich nehme Sie auf mein Motorrad.«
»Ja, aber …«
»Doch, der Sattel ist breit genug. So, halten Sie sich an dem Griff, und die Füße
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