Heinz Strunk in Afrika
entfernt. Komisch, dass mir die Bude bisher noch nicht aufgefallen ist. Der mutmaßliche Höhepunkt unserer Reise schlägt mit immerhin fünftausend Schilling zu Buche, das sind fünfzig Euro! Geld, das uns an anderer Stelle fehlen wird. C. will wissen, wie lange der Trip dauert.
«Two hours.»
«Two hours?! That’s too long, maximum one and a half.»
So was hat es wohl auch noch nicht gegeben. Wir werden gebeten, uns noch ein wenig zu gedulden, es würden noch zwei weitere Gäste erwartet.
C., aufgebracht: «Was für weitere Gäste? Davon war bei der Buchung nicht die Rede. Schau, jetzt haben sie das Geld, jetzt lehnen sie sich im Büro schon wieder zurück.»
Ein Angestellter holt aus einem kleinen Schuppen zwei Paar Schwimmflossen. Für uns. Lieb.
C.: «No, we don’t need them!»
«You don’t want to swim?»
«No, just sit in the boat.»
Ein paar Meter vom Ufer entfernt dümpelt das rot-weiß-blaue Magic Glass Boat. Die Schüssel ist vielleicht fünf Meter lang und macht alles andere als einen hochseetauglichen Eindruck. Rostig, ungepflegt, schäbig, altersschwach. Irgendwie schief, in sich. Da müsste mal der Statiker ran, denke ich. Außerdem scheint der winzige Außenbordmotor hoffnungslos unterdimensioniert. Macht höchstens vier Knoten, wenn überhaupt. Drei. Zum Glück ist der doofe Ozean nur badewannentief, da kann ja eigentlich nichts schiefgehen. Als nach zehn Minuten von den anderen Gästen immer noch jede Spur fehlt, drängt C. zum Aufbruch. Wir balancieren durch das knöcheltiefe Wasser. C., fluchend: «Da ist man ja schon pitschnass, bevor’s überhaupt losgeht.» Jetzt übertreibt er wirklich. Zwei Männer – Kapitän und Steuermann, dürre, sehnige Burschen – ziehen uns an Bord. Wir stellen uns ungeschickter an als sämtliche alten Opis aus dem ganzen Nyali Beach zusammen. Als wir endlich auf unseren Plätzen sitzen, lüftet sich das Geheimnis des Magic Glass Boats. Oder auch Glass Bottom Boat oder Glasbodenboot oder Glasbodenschiff: eine in den Rumpf eingelassene Glasplatte, durch die hindurch man Vielfalt und Artenreichtum des Indischen Ozeans beobachten kann. Echt magisch. Abfahrt! Sprötzel, fauch, schmurgel. Der altersschwache Motor keucht und scheppert, er macht Geräusche, als würde er jeden Moment in Flammen aufgehen. Wir starren angestrengt auf die Glasplatte. Grünes Wasser. Sonst nichts. Kein einziger lächerlicher Fisch, lediglich ein paar abgestorbene Algen ziehen hin und wieder vorbei. C. ist außer sich: «Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Über den Tisch haben wir uns ziehen lassen. Fünftausend Schilling ärmer, für nichts!» Und so weiter und so fort. Zwischen seinen Tiraden wirft er der Besatzung böse Blicke zu. Tucker, tucker, tucker. Nach einer knappen halben Stunde erreichen wir unseren Bestimmungsort, der Kapitän schaltet den Motor aus und wirft Anker.
C.: «And now?»
Kapitän: «Are you sure, that you don’t want to swim?»
C.: «No. No swimming.»
Der Kapitän zuckt mit den Schultern, steigt in die Schwimmflossen, stülpt sich einen Schnorchel über und hüpft ins Meer. Der Steuermann tut es ihm nach.
C.: «Von mir aus kann’s gleich wieder zurückgehen.»
Nach kurzer Zeit klettert der Kapitän an Bord und legt einen Seestern auf die Glasfläche. Mit breitem Grinsen fordert er mich auf, ein Foto zu machen. Von wegen, da hat er sich geschnitten, den unsportlichen Fake mache ich nicht mit. «No, no.» Er wirft den Stern achselzuckend zurück und springt hinterher. Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Wahnsinn, wie lange die unter Wasser bleiben können. Lungen wie Zeppeline.
Plätschern. Hitze. Zwischen C. und mir hängt zähes, schlechtgelauntes Schweigen. Nicht auszuhalten, also Befragung. Das ist Liebe, unaufhörliche Befragung.
Ich: «Würdest du in den Weltraum reisen, wenn du keinen Cent dafür bezahlen müsstest?»
«Nein.»
«Könntest du dir vorstellen, das Kapitänspatent zu machen?»
«Nein.»
«Eine Strandbar eröffnen oder den ersten Rasenmäherverleih Kenias aufmachen?»
«Kein Interesse.»
«Einen Pilotenschein?»
«Nein. Aber einen Waffenschein.»
Gespräch beendet. Die Männer tauchen und planschen und schwimmen und scheinen sich so pudelwohl zu fühlen, dass sie über ihrem Badevergnügen die Zeit vergessen. C. schaut andauernd auf die Uhr. Er kocht vor Wut: Wir befänden uns bereits seit einer Dreiviertelstunde
auf
hoher See
und hätten noch dazu die Rückfahrt vor uns. Es sei ausdrücklich eine Fahrt von nicht mehr als
Weitere Kostenlose Bücher