Heinz Strunk in Afrika
Veränderungen einhergehen würden? Nein, weiß ich nicht. Er blickt scheel und fordert mich auf, aus dem
Kokon der Ignoranz
zu schlüpfen. Dass historische Ereignisse bevorstünden, könne man im Übrigen körperlich spüren. Wie, spüren? Noch merke ich nichts. Die Wolken gehen schnell und tief und stauen sich draußen über dem Meer. Wir beobachten das enthemmte Treiben am großen Pool. C. drängt auf Arbeitsbeginn. Trotz tausend Jahren professionellem Hirnausquetschen plagt mich jedes Mal von neuem die Angst, dass mir genau ab jetzt NIE WIEDER etwas einfällt. Auch nicht schön.
Wie dem auch sei, Konzentration. C. eröffnet die Partie:
«Dracul steht von Kopf bis Fuß mit Schokolade besudelt an der Rezeption, Martina ist bereits auf ihrem Zimmer und duscht. Heino, den lädierten Pudel unter dem Arm, stürzt blutverschmiert ins Foyer. Dracul bietet seine Hilfe an. Er als Pudelspezialist und ausgebildeter Hundefriseur könne den Hund wieder herrichten. In höchster Not willigt Heino ein und händigt ihm das Tier aus.»
«Hotelzimmer Dracul. Etwas Ungeheuerliches bahnt sich an: Er verabreicht seinem eigenen Hund Viagra, dann beginnt er, Martinas Hund zu scheren. Hotelzimmer Martina. Heino kommt hereingestürzt. Martina, völlig fassungslos, fragt, wo der Hund sei, Heino wiegelt ab, dem Hund gehe es gut, der Graf würde sich kümmern. Martina glaubt ihm kein Wort, sie streift sich einen Bademantel über und rennt auf den Flur.»
«Martina und Heino stürzen in Draculs Zimmer, wo sich ihnen ein groteskes Bild bietet: Martinas Pudel steht zitternd und völlig kahl in einem Haufen Haare und wird unter Anfeuerungen und aktiver Hilfe Draculs von dessen Hund gefickt. Martina ohrfeigt Dracul, versucht dann, die Hunde auseinanderzubringen, es gelingt jedoch nicht, sie stecken ineinander fest. Zeitsprung. Halbe Stunde später. Der Tierärztin ist es gelungen, die Tiere zu trennen, allerdings erst
nach
der Ejakulation des Rüden. Martina ist außer sich. Sie beschimpft Heino und Dracul als Schweine und Tierquäler, dann verlässt sie türenknallend das Zimmer.»
«Heino, den Hund unterm Arm, läuft an dem Saal vorbei, in dem das Buckligen-Casting stattfindet. Es dringt typischer Musicalsound heraus. Man sieht, wie ihm eine Idee kommt. Locationwechsel. Willis Bar. Willi hat eine Gruppe schwerer Jungs um sich geschart. Er befiehlt ihnen, Heino
zu zerlegen und die Viecher kurz und klein zu schlagen
. Wie Heino denn überhaupt aussehe, will einer der Schläger wissen.
Hässlich sei er, mit grauen Haaren und einer Brille wie der Heino.
Danach Quickcuts, die die Wettbewerbsvorbereitungen zeigen.»
Ein Uhr, Speiserund. Handstreichartiger Überfall der Engländer: Gejohle, Gefresse, Gesaufe, Gerülpse. Schepper, splitter, pleng, boing, ding, klöter, knall. Die Rentner ducken sich ängstlich in ihre Mahlzeiten. So schnell, wie die Invasoren gekommen sind, sind sie auch wieder weg, verschmierte Tische, zerfetzte Servietten, halbvolle Gläser, zersprungene Teller, überquellende Aschenbecher und umgeworfene Stühle bleiben als stumme Zeugen des Gemetzels zurück. Schlagartig kehrt Ruhe ein. Grabesruhe. Totenstille. Die Alten sind wieder unter sich. Mümmel, mümmel, scharr, scharr, schab, schab, raschel, raschel, murmel, murmel. Stumm hocken sie vor ihren Tellern oder unterhalten sich in einer leisen, gurgelnden Sprache, die wie verborgenes, fließendes Wasser klingt. Aus dem Buch des Lebens gestrichen. Raus aus der Erotik, rein ins Alter. Hineingezwungen in völlige Untätigkeit, ohne Geschäfte, ohne Aufgaben, gefangen im rückwärtsgewandten Leben, eingemauert in der eigenen Erstarrung, irren sie durch die hellen Nebel der Kindheit. Dabei wohnt noch so viel Lebensdrang in ihnen! Das Bedürfnis ist so groß, umarmt, liebkost, gewärmt zu werden! Doch sie werden ebenso wenig wahrgenommen wie ihre nächsten Verwandten, die Toten. Spätabends, wenn sie genug getrunken haben, rotten sie sich zusammen und stimmen Gesänge von unendlicher Traurigkeit an.
Ein Scheiß schon wieder. Ich sollte mal aufhören, mir ständig über andere Leute Gedanken zu machen, und vor meiner eigenen Haustür kehren. Wahrscheinlich ist es sowieso ganz anders: Die alten Leute freuen sich darüber, dass sie gesund sind und genug Geld haben, um in Urlaub fahren zu können.
Familie Flodder trudelt ein. Schweigend und ohne erkennbaren Ausdruck von Genuss stopfen die Eltern irgendwelche Fleischlappen in sich rein, während sich Dustin an einem
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