Heinz Strunk in Afrika
uns am liebsten sofort wieder loswerden. Was nun, Bursche?»
«Was nun, was nun! Du hast uns in Teufels Küche gebracht und gibst es nicht zu. Das ist es, was mich wirklich aufregt. Gib’s doch wenigstens zu.»
«Tut mir leid. Ich hoffe, bald Gelegenheit zu haben, mich zu revanchieren. Pass auf, Vorschlag: Alle Viertelstunde schau t jemand von uns nach draußen. Sollte sich ein Taxi hierher verirren, heißt es Abmarsch.»
Er geht die Lage sondieren.
Da haben wir unseren Aktivurlaub, denke ich. Die Zunge puckert, und auf meiner Haut ist eine glitschige Schicht aus Schweiß, Talg und Staub, ekelhaft. Ich sollte C. verklagen, wegen fahrlässiger Herbeiführung einer lebensbedrohlichen Situation oder so ähnlich, in der Richtung gibt es bestimmt irgendeinen Paragraphen. Er kommt mit zwei Gin Tonic zurück. Hä? Wo hat er die denn her?
«Was gibt’s Neues?»
«Ganz normal Remmidemmi.»
«Geh, jetzt reiß dich mal zusammen!»
«Was soll ich sagen? Kein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Darf ich dir die Wartezeit mit einem Drink verkürzen?»
«Nein. Und dir würde ich auch empfehlen, einen klaren Kopf zu bewahren.»
Wann habe ich zum letzten Mal einen Drink ausgeschlagen?
Ein Uhr. Schlagartig wird die Musik lauter. C. stürzt das zweite Glas hinunter.
«Übrigens, Bursche: Was ich am meisten vermisse, ist Apfelschorle. Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass Apfelschorle außerhalb des deutschsprachigen Kulturraums praktisch unbekannt ist?»
«Willst du mich ablenken, oder weshalb kommst du mit so einem Scheiß? Ich verstehe dich nicht mehr. Außerdem macht Apfelschorle auch dick.»
«Es bringt überhaupt nichts, wenn wir uns künstlich verrückt machen.»
«Künstlich, künstlich. Du hast sie ja wohl nicht mehr alle.»
Er verschwindet und kehrt mit zwei Cola Rum zurück.
«Geh, Bursche, trink, das ist gut für die Nerven.»
«Von wegen.»
Zwei Hände legen sich von hinten um meine Taille. Hamdi! Und Doreen! Und noch ein drittes Mädchen. Hochschwanger. Hamdi strahlt: «This is Nancy, my sister.» Shakehands. Das ist also Nancy. Die hatte ich mir aber ganz anders vorgestellt. Sie sieht vollkommen grotesk aus. Der breite Stirnschädel verjüngt sich zum Kinn drastisch, das Gebiss ist schmal und eng nach hinten fliehend, ihr blondiertes Haar sieht aus wie Zuckerwatte. Hamdi fordert mich auf, Nancys Bauch zu küssen. Gott, ach Gott. Schrecklich. Augen zu und durch. Schmaaaatz. Ihr Körpergeruch mischt sich mit stechendem, schwerem Parfümgeruch. Sie küsst mich auf die Wange und verschwindet. Sehr seltsam alles.
Die Mädchen zerren uns auf die Tanzfläche, Hamdi ist wie ausgewechselt. C., deutlich angetrunken, versucht sich unter den Anfeuerungen der beiden an immer verwegeneren Tanzschritten. Er probiert eine Drehung um die eigene Achse, verliert das Gleichgewicht und fällt um wie ein nasser Sack. Trottel. Ist das peinlich. Anstatt wieder aufzustehen, bleibt er mit fröhlich-debilem Grinsen sitzen wie ein Kretin. Lallend und auf allen vieren. Totale Haltlosigkeit. Er ist jetzt schon drüber. Doreen hilft ihm wieder auf die Beine, dann verschwinden die Girls. Plötzlich und ohne Ansage lassen sie uns stehen. C. scheint’s nicht zu stören. Er wankt von einem Bein aufs andere wie ein besoffener Tanzbär. Mit ihm werde ich nicht mehr rechnen können.
Hamdi und Doreen kehren in Begleitung zweier muskelbepackter Hünen zurück.
«This is John and this is Mike.»
Aha. Interessant. Und? John, bestimmt zwei Meter groß, trägt hautenge Eierjeans und ein weißes ARMANI -T-Shirt. Mike, Typ Mike Tyson, Glatze, Schlägergesicht, seltsame Wülste unter den Augen. Wie Verwandtschaft sehen die nicht aus. Handshake:
«Hello, nice to meet you.»
«Yes.»
Absurd. Die Situation wächst mir endgültig über den Kopf. Was wollen die Typen? Die politischen Turbulenzen sind ein willkommener Anlass, uns fertigzumachen, das ist es! Wenn nur C. nicht so besoffen wäre. Ausgerechnet heute! Mir sinkt das Herz. Es kann jetzt nur noch darum gehen, alles halbwegs im Griff zu behalten. Erst mal Lage draußen checken.
Eine dumpfe Lärmkorona hängt über der Stadt. Langsam fährt ein vollbesetzter Militärjeep die Straße hinauf, die Soldaten halten ihre MP s im Anschlag. In immer kürzer werdenden Intervallen mischen sich unter die hellen Schüsse dumpfe Schläge, wie von Artillerie; zuckende Blitze tauchen die Stadt für Sekundenbruchteile in gespenstisches Licht. So ist es also, wenn das mit lüsterner Gewissheit
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