Heirate nie einen Italiener
wieder verflogen. “Würdest du bitte mit dem Unfug aufhören?”, rief sie ihn zur Vernunft, doch ihr Lächeln wollte nicht so recht zu ihrem strengen Tonfall passen.
“Wer hätte gedacht, dass wir uns so bald wiedersehen”, begrüßte er Helen, nachdem er die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
“Ich konnte ja nicht ahnen, dass du sogar meinen Chef einspannst – auch wenn ich mich frage, wie er auf deinen miesen Trick hereinfallen konnte.”
“Nix Trick”, erwiderte Lorenzo radebrechend, “ich wirklich nix spreche Englisch.”
“Gib dir keine Mühe”, verbat sich Helen sein Theater, ohne verbergen zu können, wie sehr ihr der jungenhafte Schalk in seinen Augen gefiel. “Zufällig weiß ich, dass dein Englisch nahezu perfekt ist – von dem einen Ausrutscher gestern mal abgesehen. Und da du keine Dolmetscherin brauchst, frage ich mich, was ich hier eigentlich soll.”
“Du könntest mir beispielsweise die Sehenswürdigkeiten von New York zeigen.”
“Mein Auftrag lautet zwar, mich um Sie zu kümmern, Mr. Martelli, doch damit war wohl kaum gemeint, dass ich Ihnen in Ihrer Freizeit Gesellschaft leiste.”
“Es war ja nur ein Versuch”, erwiderte Lorenzo beschwichtigend. “Ich habe hier eine Liste mit Kunden, die ich heute besuchen muss. Ich schlage vor, du begleitest mich.”
“Sind auch Hotels darunter?”, erkundigte sich Helen so unverfänglich wie möglich, während sie einen Blick auf die Liste warf.
“Nur Restaurants.”
“Und warum ist kein einziger Italiener darunter?”
“Weil die die Qualität unserer Ware längst kennen”, erklärte Lorenzo selbstbewusst. “Sinn meiner Reise ist es, die anderen Nationalitäten davon zu überzeugen, dass sie unbedingt bei uns kaufen müssen.”
“Ganz schön eingebildet, der Herr.”
“Findest du? Als Sizilianerin wirst du nicht bestreiten …”
“Lorenzo!”
“Entschuldige bitte. Ich wollte dir nicht zu nahetreten. Und jetzt lass uns mit der Arbeit anfangen.”
In den folgenden Stunden begleitete Helen Lorenzo in zahlreiche Restaurants, und so schwer es ihr fiel, kam sie nicht umhin, ihn für sein Verhandlungsgeschick zu bewundern. Er verstand es meisterhaft, seinen Charme spielen zu lassen, bis aus potenziellen Kunden zahlungskräftige Käufer geworden waren.
Am späten Nachmittag war sein Auftragsbuch prall gefüllt, und er beschloss, Feierabend zu machen. “Ich brauche dringend eine Stärkung”, sagte er erschöpft. “Da vorn ist ein Restaurant, lass uns dort etwas essen.”
Das Restaurant hieß
Five
und erwies sich als Volltreffer, denn es bot einen fantastischen Ausblick auf den Hudson. Die letzten Lichtstrahlen brachen sich auf der Wasseroberfläche des Flusses und verwandelten ihn in ein glitzerndes Sternenmeer.
Obwohl Helen oft am Ufer spazieren ging und Sonnenuntergänge wie diesen häufiger erlebt hatte, erschien er ihr dieses Mal besonders schön. Was sicherlich daran lag, dass er einen nicht weniger schönen Tag krönte, den sie in Begleitung eines Mannes verbracht hatte, der sich zu ihrer Überraschung als überaus angenehmer Gesprächspartner erwiesen hatte. Sie hatte jedenfalls lange nicht mehr so viel und herzlich gelacht wie in den vergangenen Stunden.
“Ich fühle mich, als hätte ich heute das Pensum einer ganzen Woche erledigt”, klagte Lorenzo, nachdem der Ober die Speisekarte gebracht hatte.
“Da bist du nicht der Einzige”, erwiderte Helen spitz.
“Ich hoffe, ich habe nichts Unmögliches von dir verlangt”, sagte er verlegen.
“Das nicht gerade. Allerdings auch nicht das, was eigentlich meine Aufgabe war. Denn übersetzt habe ich kein einziges Wort. Stattdessen durfte ich mich als deine Privatsekretärin betätigen: Notiere das bitte, Helen! Kannst du das schnell mitschreiben, Helen?”
“War ich wirklich so schlimm?” Lorenzo war deutlich anzusehen, wie unangenehm es ihm war, dass er Helen herumkommandiert hatte, ohne es zu merken.
“Wie man’s nimmt”, antwortete sie ausweichend, bevor sie sich einen Ruck gab. “Manchmal hat mich dein Ton sehr an meinen Vater erinnert: Tu dies, Mamma, tu das, Mamma.”
“Das kannst du doch nicht miteinander vergleichen!”, protestierte Lorenzo. “Dein Vater ist ein altmodischer Patriarch.”
“Und was bist du?”
“Ein Geschäftsmann, der sich Sentimentalitäten nicht leisten kann. Jedenfalls nicht wenn er im Dienst ist.”
Es ist aussichtslos, dachte Helen enttäuscht, und doch ertappte sie sich dabei, wie sie die Leichtigkeit, mit der
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