Heiße Beute
unterhält.«
Mit Dickie verband mich die kürzeste Ehe in der Geschichte von Burg. Kaum waren die Hochzeitsgeschenke ausgepackt, da erwischte ich den Saftsack dabei, wie er gerade meine Erzfeindin Joyce Barnhardt auf unserem Esstisch flachlegte. Im Nachhinein begreife ich nicht, warum ich Orr überhaupt geheiratet hatte. Wahrscheinlich war ich nur verliebt in ein Wunschbild.
An die Mädchen aus Burg werden bestimmte Erwartungen gestellt. Man wächst auf, man heiratet, man kriegt Kinder, man geht ein bisschen in die Breite, und man lernt, eine Tafel für vierzig Personen zu decken. Mein Traum war es, bestrahlt zu werden wie Spiderman und fliegen zu können wie Superman. Erwartet wurde von mir aber, dass ich irgendwann heiratete. Ich gab mir alle Mühe, den Erwartungen gerecht zu werden, aber es haute nicht hin. Ich war einfach zu blöd. Verführt von Dickies blendendem Aussehen und seiner Bildung, willigte ich ein. Die Tatsache, dass er Rechtsanwalt war, muss mir den Kopf verdreht haben.
Seine Fehler sah ich nicht: Dass er schlecht über Frauen denkt. Dass er lügen kann, ohne mit der Wimper zu zucken. Für Letzteres sollte ich ihn lieber nicht kritisieren, denn auch ich kann lügen, dass sich die Balken biegen. Aber ich lüge nicht, was intime Dinge angeht, Liebe und Treue und so weiter.
»Vielleicht erwischen wir ja einen von Dickies guten Tagen«, sagte ich zu Lula. »Dann ist er meist in Plauderlaune.«
»Ja, und wenn du nicht wieder über den Schreibtisch springst und ihm an die Gurgel gehst, könnten wir seine Laune ausnutzen.«
Dickies Büro befand sich am anderen Ende der Stadt. Er war aus einer großen Kanzlei ausgeschieden und hatte seine eigene aufgemacht. Er soll ziemlich erfolgreich sein, wie man hört. Er residierte jetzt in zwei Räumen im Carter Building. Ich war vorher schon mal kurz da gewesen und hatte irgendwie die Beherrschung verloren.
»Diesmal bin ich brav«, versprach ich Lula.
Lula sah mich nur komisch an und stieg in meinen Wagen.
Ich fuhr die State Street bis zur Warren und bog dann in die Sommerset ein. Direkt gegenüber von Dickies Büro fand ich einen Parkplatz und interpretierte das als ein gutes Omen.
»Unsinn«, stellte Lula klar. »Du hast einfach nur ein gutes Parkplatzkarma. Das hat mit zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt nichts zu tun. Hast du dein Horoskop heute schon gelesen?«
»Nein. Ist es schlimm?«
»Es hieß, deine Monde stünden nicht im richtigen Haus, und bei Entscheidungen solltest du aufpassen. Und noch etwas: Mit den Männern gäbe es Ärger.«
»Mit denen habe ich immer Ärger.« Zwei Männer spielten in meinem Leben eine Rolle, und mit beiden wusste ich nichts anzufangen. Ranger machte mir höllische Angst, und Morelli hatte klargestellt, ich sei ihm zu stressig, als dass es sich lohnte – es sei denn, ich würde mich ändern. Von Morelli hatte ich seit Wochen nichts mehr gehört.
»Ja, schon, aber diesmal soll es richtig Stunk geben«, sagte Lula.
»Das hast du jetzt gerade erfunden.«
»Nein. Das habe ich nicht erfunden.«
»Doch.«
»Also gut, ein bisschen was ist erfunden, aber der Ärger mit den Männern nicht.«
Ich steckte eine Münze in die Parkuhr und überquerte die Straße. Lula und ich betraten das Gebäude und nahmen den Aufzug zum zweiten Stock. Dickies Büro lag am Ende des Gangs. Auf dem Schild neben der Tür stand: Richard Orr, Anwalt. Ich widerstand dem Impuls,
Arschloch
darunter zu schreiben. Immerhin, ich war eine betrogene Exfrau, und das brachte eine gewisse Verantwortung mit sich. Heb dir das
Arschloch
lieber fürs Hinausgehen auf, dachte ich.
Der Empfangsraum von Dickies Büro war von einem bestimmten Industrieschick geprägt, Schwarztöne, Grautöne, und hier und da ein violetter Polstersessel. Hinter einem riesigen Mahagonischreibtisch saß Dickies Sekretärin, Caroline Sawyer. Ich erkannte sie von meinem letzten Besuch wieder. Sie blickte auf, als Lula und ich hereinkamen. Ihre Augen weiteten sich wie in Panik, und sie griff nach dem Telefonhörer.
»Noch einen Schritt und ich rufe die Polizei«, drohte sie.
»Ich möchte mit Dickie sprechen.«
»Der ist nicht da.«
»Wetten, dass sie lügt?«, sagte Lula. »Ich habe einen sechsten Sinn. Ich spüre genau, wann Menschen lügen.« Lula schimpfte Sawyer mit erhobenem Zeigefinger aus. »Der liebe Gott sieht es nicht gern, wenn man lügt.«
»Ehrlich, er ist nicht da.«
»Das grenzt ja schon an Blasphemie«, sagte Lula. »Das wird noch mal schlimm enden mit
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